Das unterschätzte Parlament

Das Europäische Parlament gerät all zu oft im Zusammenhang mit Spesen und Gehältern seiner Abgeordneten in die Schlagzeilen. Das ist ungerecht – tatsächlich leisten die europäischen Abgeordneten ganz überwiegend hervorragende Arbeit. Unter den Abgeordneten besteht ein Wettstreit bei der Qualität ihrer Berichte, die Diskussionen im Plenum sind lebhaft, Hearings für neue Kommissare eine Herausforderung. Regelmäßig fordert das Parlament gegenüber Rat und Kommission soziale und liberale Grundrechte ein und sorgt dafür, dass sich die Union nicht von den Bürgerinnen und Bürgern entfernt.

Während etwa im österreichischen
Parlament nur die Gesetze abgenickt werden, die in den einzelnen
Ministerien vorbereitet werden, findet im Europäischen Parlament echte
legistische Arbeit statt. Zu jedem Gesetzesentwurf der Kommission
erstatten Abgeordnete umfassende Berichte und eine Vielzahl von
Abänderungsanträgen. Das Parlament verfügt auch über einen eigenen
Rechtsdienst, der Qualität sichert. Trotz aller Unkenrufe ist die Rolle
des Parlaments rundum positiv zu bewerten – die Einrichtung kann, was
Diskussionskultur und Qualität der Gesetzgebung betrifft, vielen
nationalen Volksvertretungen als Vorbild dienen. Umso mehr Respekt
verdienen die österreichischen Abgeordneten Hannes Swoboda und Othmar Karas,
deren langjährige konsequente Parlamentsarbeit in Brüssel und
Straßburg dieser Tage höchste Anerkennung erfahren hat: Swoboda ist
neuer Fraktionschef der Progressiven Allianz der Sozialisten und
Demokraten im Europäischen Parlament (S&D), also der europäischen
Linken, Karas wurde zu einem der Vizepräsidenten des Europäischen
Parlaments gewählt. Es wäre kein Schaden, würde man den Einschätzungen
der beiden Parlamentarier in Österreich öfter Gehör schenken.

Beiträge per Email abonnieren

Zugang zum Recht: Amtstag und neue Familiengerichtshilfe

Der Amtstag bildet ein Spezifikum der österreichischen Rechtsordnung. Zumindest ein Mal wöchentlich (zumeist dienstags vormittag) besteht bei allen Bezirksgerichten die Möglichkeit, direkt bei Richterinnen und Richtern Rechtsauskünfte zu anhängigen Verfahren oder zu beabsichtigten rechtlichen Schritten einzuholen. Einfache Klagen und Anträge können sofort zu Protokoll genommen werden.

Während in vielen anderen europäischen Ländern kaum Gelegenheit besteht, mit Richterinnen und Richtern außerhalb der Verhandlung in Kontakt zu treten, bietet Österreichs Justiz mit dem Amtstag einen kostenfreien, einfachen Weg zum Recht. Für viele Menschen bedeutet das Aufsuchen eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin eine nicht unerhebliche finanzielle und psychologische Barriere. Der Amtstag dagegen ist eine gewachsene, in der breiten Bevölkerung bekannte und gut angenommene Einrichtung, die gleichzeitig dafür sorgt, dass die Justiz ihr Ohr an der Bevölkerung behält und BürgerInnennähe kein Schlagwort bleibt. Gut also, dass Bestrebungen zur Einschränkung des Amtstags vor zwei Jahren gescheitert sind. Was den Zugang zum Recht betrifft, könnte die gerade als Pilotversuch gestartete Familiengerichtshilfe einen Qualitätsschub bringen – Familienrechtsverfahren könnten schneller, rascher, einfacher werden.

Beiträge per Email abonnieren

Impressionen vom Semmering

Nur eine Autostunde von Wien entfernt ist der Semmering im Laufe der letzten Jahrzehnte langsam aus dem Bewusstsein der Wiener gewichen. Nähert man sich der Passhöhe, so verstärkt sich der Eindruck des verwunschenen Luftkurorts, der von seiner Vergangenheit lebt und auch bei größter Anstrengung nicht mehr in der Gegenwart ankommen kann.

Ein Wochenendbesuch hinterlässt eine Vielzahl von Eindrücken: beim Hotel Panhans etwa ist der Service bescheiden geworden, doch immer noch bestechen Dimension und Lage (das grandiose Südbahnhotel verfällt derweil, ein Jammer, dass weder Land noch Bund zwecks Rettung aktiv werden); zum Essen und Übernachten hält man sich besser an das angenehme Hotel Löffler. Der Zauberberg bietet unter anderem das größte Nachtschigebiet Europas, und das wenige Kilometer entfernete Schigebiet Stuhleck braucht, was den Standard der Liftanlagen und Pisten betrifft, den Vergleich mit Westösterreich nicht zu scheuen. Und während es unten im Wiener Becken regnet, fällt hier über Nacht ein halber Meter Schnee…


Beiträge per Email abonnieren

300 BesucherInnen bei den Aufführungen des Reinhardt Seminars am Bezirksgericht Meidling

Seit mehr als einem Jahr läuft die Zusammenarbeit zwischen dem Max
Reinhardt Seminar und dem Bezirksgericht Meidling. Der Gedanke, der der
Initiative zu Grunde lag – Justiz hat viel Macht, sie benötigt ständige
Anstöße zu Reflexion, Kritik und Selbstkritik – hat sich mit der
Produktion „Strafsache Gregor Samsa“ in idealer Weise verwirklicht.
Zwischen 15.7.2011 und 13.1.2012 haben insgesamt mehr als 300
BesucherInnen die acht Aufführungen im Verhandlungssal F des
Bezirksgerichts Meidling verfolgt.

Johanna Wolff, Tino Hillebrand (Foto: Mira König)

Unter den BesucherInnen: die Präsidenten der Wiener Gerichtshöfe Dr. Marlene Perschinka und Mag. Friedrich Forsthuber, die Leiterin des Polnischen  Kulturinstituts  in Wien, Mag. Justyna Golinska, der Leiter des Italienischen Kulturinstituts Dr. Fabrizio Iurlano, Professoren von Universität Wien,  Wirtschaftsuniversität  Wien  sowie  der Kunstakademien (Univ.  Prof.  Dr.  Martin  Stegu,  Univ. Prof. Dr. Franz Pöchhacker, Univ.Prof.  Dr.  Mira  Kadric,  Prof. Anna Maria. Krassnigg), die Richterin des OLG Wien, Dr. Mia Wittmann-Tiwald, die stellvertretende Generalsekretärin der   Vereinigung   Österreichischer   StrafverteidigerInnen  Dr.in  Alexia Stuefer, der Dokumentarfilmer Dr. Wilhelm Rösing, die Schriftsteller Franz Schuh und Gerhard Scheit, der Träger des Ehrenzeichens  der  Stadt  Wien,  Friedrich Zawrel, der Konzernsprecher der Wiener  Stadtwerke,  Mag. Thomas Geiblinger, und der Leiter des AMS-Meidling i.R. Herbert Fritz.

Johanna Wolff, Tino Hillebrand, Konstantin Shklyar

Fotos: Klaus Heiß, Mira König
Beiträge per Email abonnieren

Frühling in Wien?

Was den aus den Medien bekannten Großkorruptionisten des letzten Jahrzehnts nicht gelungen ist, haben Alexander Wrabetz und Niko Pelinka mit ihrer weihnachtlichen Kommandosache Büroleiter geschafft: sie haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Die kritische Intelligenz scheint von den ständigen augenzwinkernden Rechtsbrüchen die Nase voll zu haben und schreitet mit Kreativität zur Gegenwehr. Diese Woche bringt uns zunächst eine beispiellose Protestaktion von ORF-RedakteurInnen auf youtube; Niko Pelinka wird, so viel scheint klar, seinen Job nie antreten. Alexander Flendrovsky schreibt im STANDARD einen der treffendsten Kommentare zu dieser Affäre und zum Themenkreis Rechtsstaatlichkeit und Korruption in Österreich, den man bisher lesen konnte. Der Nationalrat schickt sich an, verbal verschämt, aber doch, ein Gesetz zur Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus zu beschließen. Fast vermeint man so etwas wie Zeichen des Aufbruchs zu spüren.
Beiträge per Email abonnieren