Von Friedrich Zawrel war an dieser Stelle schon die Rede: der gefragte Zeitzeuge und Träger des Goldenen Verdienstzeichens der Stadt Wien spricht in den letzten Monaten immer häufiger von einem jungen Künstler, von Nikolaus Habjan. Und er spricht seit Beginn der Bekanntschaft zumeist vom „Puppenspieler“; erst in jüngster Zeit verwendet Herr Zawrel zunehmend den Vornamen des Künstlers.
Nikolaus Habjan hat Friedrich Zawrel und anderen Opfern des Nationalsozialismus, den Kindern insbesondere, mit dem im Wiener Schuberttheater inszenierten Puppentheaterstück F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig ein Denkmal gesetzt. Sitzt man in der Aufführung und schließt die Augen, so glaubt man, Friedrich Zawrel selbst sprechen zu hören – so genau trifft Habjan Sprache und Tonfall Zawrels. Die Aufführung ist mehr als eine Talentprobe, die großen Berichte in Falter und Augustin sind angemessen. Es braucht nicht viel Weitsicht, um dem als Schauspieler, Puppenbauer, Puppenspieler und Kabarettist vielseitig und durchwegs herausragend begabten Nikolaus Habjan eine große künstlerische Karriere vorherzusagen. Demnächst ist Habjan wieder am Burgtheater zu sehen (vgl die Rezension im Standard).
Im Fasching 2011 hatten einige Steirer eine Idee: sie ahmten auf einem Auto die Farbgebung der Polizeifahrzeuge nach und versahen den Wagen mit dem Schriftzug „Pozilei“. Der Wagen fuhr in einem Faschingszug mit, Bilder des Wagens verbreiteten sich rasch im Internet.
Der Gesetzgeber vermag dem Humor der Pozilisten nicht viel abzugewinnen. Nach einer Schreck- und Nachdenkpause von rund 15 Monaten schuf er nun eine neue Bestimmung im Sicherheitspolizeigesetz, die solche und ähnliche Späße unter Strafe stellt und mit 1. April [!] 2012 in Kraft getreten ist:
„Unbefugtes Verwenden geschützter grafischer Darstellungen der Sicherheitsbehörden und Polizeikommanden
§ 83b. (1) Wer eine gemäß Abs. 2 bezeichnete grafische Darstellung der Sicherheitsbehörden oder Polizeikommanden in einer Weise verwendet, die geeignet ist, eine öffentliche Berechtigung vorzutäuschen, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen. Gleiches gilt für die Verwendung von Wort-Bildkombinationen, die auf Grund ihrer Farbgebung und Schriftausführung geeignet sind, den Anschein einer gemäß Abs. 2 bezeichneten Darstellung zu erwecken.
(2) Der Bundesminister für Inneres bezeichnet durch Verordnung die im Sinne des Abs. 1 geschützten grafischen Darstellungen.“
Viel ist in Österreich in letzter Zeit von einer Vertrauenskrise der Justiz die Rede. Lösungen werden allerorts gesucht und angeboten, meist ist von Ressourcen, Planstellen und besserer Öffentlichkeitarbeit die Rede. All das geht wohl am Kern des Problems vorbei. Der Rechtswissenschaftler und Rechtsanwalt Alfred Noll legt in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitschrift Falter (Nr. 15/2012) die grundlegendste und treffendste Analyse zur Justiz seit langem vor. Unter dem Titel „Misstraut den Richtern!“ führt er überzeugend aus, dass Recht und Gesetz klassische Herrschaftsmittel sind, und dass daher kein Justizsystem unpolitisch sein kann. Eine vorgebliche Entpolitisierung führe in eine Sackgasse, wie Noll unter Berufung auf die Weimarer Justiz und die österreichische Justiz der Ersten Republik zeigt. Noll formuliert Sätze, die Studierenden der Rechtswissenschaften helfen können, sich ihr Fach zu erschließen: „Wer weiter an der unpolitischen Justiz festhält, reduziert den Staat auf sein autoritäres Wunschbild des allen gesellschaftlichen Impulsen entzogenen Apparats, der allein den immanenten bürokratischen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Deshalb ist die Entscheidung für eine unpolitische Justiz eine eminent politische Entscheidung von schwer übersehbarer Tragweite. … Diese Orientierung endet immer gleich: Ordnung vor Freiheit, Rechtsstaat vor Demokratie.“
Er ging mit Karl Kraus in die Schule, führte beruflich wie privat ein bewegtes Leben und hat der Nachwelt einen beachtlichen Roman hinterlassen: Hugo Bettauers Buch Die Stadt ohne Juden wurde nach seinem Erscheinen 1922 über eine Viertelmillion Mal verkauft. Bettauer gelang elf Jahre vor der Machtübernahme Hitlers in Deutschland ein prophetischer Blick in die Zukunft. Im Roman beschließt die österreichische Regierung ein Gesetz, demzufolge alle Juden das Land zu verlassen haben. Die Lektüre vermittelt, ähnlich wie Schnitzlers zehn Jahre zuvor erschienenes Drama Professor Bernhardi, einen Eindruck von der Verbreitung und Intensität des damals herrschenden Antisemitismus. Die Sprache des Romans ist zeitlos, die Schilderungen des politischen Betriebs könnten auch die Gegenwart beschreiben.
Hugos Bettauers Roman wurde bereits 1924 verfilmt. Der Erfolg seines Werks wurde für den Autor zum Todesurteil. Hugo Bettauer wurde 1925 von einem Nationalsozialisten ermordet. Nach seinem Tod allzu rasch in Vergessenheit geraten ist der Autor Bettauer eine Wiederentdeckung wert.
Fernando Pessoa (1888-1935) gilt als der größte Dichter Portugals. Sein Buch der Unruhe weist den Dichter außerdem als großen Philosophen aus. Pessoa war mit der Stadt Lissabon verwoben. Heute wird er in Lissabon auf eine Weise verehrt, wie das wohl nur in romanischen Ländern möglich ist. In Stein gemeisselt sitzt der Dichter unter den Gästen im Garten des legendären Café Brasileira. Pessoas letztes Wohnhaus, nun Casa Fernando Pessoa benannt, wurde in ein Museum umgewandelt, liebevoll ausgestaltet in jedem Detail. Das Haus steht kostenlos zur Besichtigung offen und ist häufig Ort von Veranstaltungen.
Antonio Tabucchi, Autor und Universitätslehrer, hat sich von Jugend an intensiv mit Pessoa auseinandergesetzt und den portugiesischen Dichter in Italien bekannt gemacht. In der Nähe Pisas geboren, lebte Tabucchi die letzten beiden Jahrzehnte überwiegend in Portugal. Sein bekanntestes Werk, Erklärt Pereira, wurde 1995 mit Marcello Mastroianni in der Hauptrolle verfilmt. Tabucchi war kritischer Intellektueller und überzeugter Europäer. „Die Menschen können sich nicht aussuchen, wo sie geboren werden, aber wo sie leben und sterben schon“. Antonio Tabucchi starb gestern nach langer Krankheit in Lissabon.