Ringvorlesung „Eine von Fünf“ in Wien – Bekämpfung familiärer Gewalt

Presseaussendung der Volksanwaltschaft:

Am 23.11.2017 fand die diesjährige Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung „Eine von Fünf“ in der Volksanwaltschaft statt. Im Rahmen der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ luden die Volksanwaltschaft, die Medizinische Universität Wien und der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) auch heuer wieder ein, sich mit dem Thema Gewalt an Frauen eingehend auseinanderzusetzen.
Volksanwältin Brinek fordert Ende der Gewalt gegen Frauen
„Wir wollen gemeinsam mit Expertinnen und Experten die breite Öffentlichkeit für das Thema Gewalt an Frauen und Mädchen in Österreich sensibilisieren“, so Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek. In Österreich ist bedauerlicherweise jede fünfte Frau einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen. „Viel zu oft tragen Frauen ‚Blauschmuck‘“, zitiert Brinek aus einem Roman von Katharina Winkler, der die Gewalt und deren sichtbare Folgen eindrücklich schildert. „Mögen unsere gemeinsamen Anstrengungen dazu beitragen, dass Schluss ist mit Blauschmucktragen“, führte Brinek aus.
„Viele Gewaltopfer schämen sich für die Gewalt, die ihnen angetan wird“, sagte Pamela Rendi-Wagner, die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen in ihrer Eröffnungsrede und betonte die wichtige Rolle der Gewaltschutz- und Beratungseinrichtungen in Österreich. Neben Gewaltschutz ist die Gewaltprävention ein Thema, das Rendi-Wagner besonders am Herzen liegt: „Gewalt gegen Frauen ist kein Frauenproblem – es ist ein Täterproblem. Um Gewalt zu verhindern, müssen wir früh ansetzen und mit Burschen und Männern an ihrem Frauenbild arbeiten.“ So unterstützt das Frauenministerium beispielsweise Workshops, in denen an Schulen Burschen und junge Männer für Themen wie sexuelle Belästigung und geschlechtsspezifische Gewalt sensibilisiert und dazu angehalten werden, ihre Haltung zu Frauen und Mädchen zu hinterfragen. Gleichzeitig sollen auch Mädchen und junge Frauen gestärkt werden.
Bedenkliche Lücken beim Gewaltschutz
Grundsätzlich nehme Österreich mit seinen Gewaltschutzmaßnahmen bei der Überwindung von Gewalt an Frauen weltweit eine Vorreiterrolle ein, sagte Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser. Gleichzeitig bestünden aber nach wie vor bedenkliche Lücken, wie die jüngsten erschütternden Morde an Frauen und Kindern hierzulande sichtbar machten. Der Terror durch Gewalt in der Familie wird immer noch als „Privatsache“ abgetan und sogar bagatellisiert, so Rösslhumer. Fälle von Gewalt gegen Frauen müssen von der Strafjustiz ernster genommen werden. Einerseits sollte das Risiko einer bevorstehenden Gewalttat besser eingeschätzt und durch die Verhängung von Untersuchungshaft verringert werden. Andererseits muss sichergestellt werden, dass Täter bei geschlechtsspezifischen Gewalttaten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dabei wies Rösslhumer auf die Bedeutung der Europaratskonvention zur Überwindung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) hin. „Diese Konvention ist ein beeindruckender Meilenstein der Frauenrechte: Als erstes verbindliches internationales Rechtsdokument, erkennt sie Gewalt an Frauen ausdrücklich als Menschenrechtsverletzung an.“ Die dringende Empfehlung des Europarats an Österreich lautet, verpflichtende Schulungen zum Thema Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in die Ausbildungen der angehenden Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu integrieren.
Neben der Wegweisung des Gewalttäters unterstrich die Scheidungsanwältin Dr. Helene Klaar die Bedeutung des Gewaltschutzgesetzes als wichtigem Meilenstein. Auch wenn es Kritik gibt, dass Wegweisungen nun teilweise zu früh ausgesprochen würden, so sei es „besser, wenn jemand, der nicht gefährlich ist, zwei oder vier Wochen bei Verwandten oder der Mutter nächtigen muss, als es wird ein Gewalttäter zu wenig weggewiesen.“ Sie kritisierte insbesondere, dass Beziehungskonflikte noch immer als etwas stigmatisiert würden, dass einem vernunftbegabten Menschen gar nicht passieren kann.
Gesellschaftliches und behördliches Klima als entscheidender Faktor
Der Vorsteher des Bezirksgerichts Meidling in Wien Dr. Oliver Scheiber ging in seiner Rede auf die Rolle der Gerichte und Staatsanwaltschaften ein. Bei der Gewalt gegen Frauen erfolgen Anzeigen noch immer oft erst Jahre später, und nur ein kleiner Teil der Opfer könne sich überhaupt zu diesem Schritt überwinden. „Die Gesetze bieten ein gutes Instrumentarium gegen Gewalt vorzugehen und Täter anzuzeigen, trotzdem ist es für die Opfer nach wie vor schwer. Das liegt an verschiedenen Faktoren, aber insbesondere am gesellschaftlichen und behördlichen Klima“, so Scheiber. Außerdem dürfe man den historischen Kontext nicht außer Acht lassen: Das Frauenwahlrecht gibt es erst seit rund 100 Jahren, bis 1975 durften Frauen ohne Zustimmung ihres Mannes weder Arbeiten noch ein Konto eröffnen, bis 1989 war die Vergewaltigung in der Ehe kein Straftatbestand. „Die heutige Generation der 50-Jährigen ist noch in einer Zeit aufgewachsen, in der es rechtmäßig war, Gewalt gegen Frauen und Kinder auszuüben“, resümiert Scheiber. Es herrscht nach wie vor ein Klima der Demütigung der Opfer. Daher müssten Aus- und Fortbildung weiter verbessert und an der Sensibilisierung gearbeitet werden. Um die Situation nachhaltig zu verändern, müsse auch die Situation des Täters mitbedacht werden. „Wir müssen vom Vergeltungsgedanken wegkommen und uns zu einem Präventionskonstrukt bewegen“, argumentiert Scheiber.
Die Lehrveranstaltungsleiterin der MedUni Wien Frau Prof. Berzlanovich wies abschließend nochmals auf das Leitthema der Ringvorlesung hin. Neben dem Opferschutz liege der Fokus eben auch auf der Täterarbeit. Unter dem Titel „Schrittweise – Wege aus der Gewalt“ werden an insgesamt sieben Vorlesungstagen beispielhaft die einzelnen Schritte einer betroffenen Ehefrau und Mutter von zwei Kindern auf dem Weg in ein gewaltfreies Leben durch insgesamt 23 Vortragende verschiedener Berufsgruppen erörtert. Dabei wird die große Vielfalt von Betreuungsmöglichkeiten und wirksamen Unterstützungsangeboten für die Frau und deren Kinder durch diverse Hilfseinrichtungen aufgezeigt. Andererseits wird auch die Täterperspektive dargestellt und ausführlich diskutiert. Zum Abschluss wünschte sich Berzlanovich, dass in Zukunft „keine von fünf“ Frauen von Gewalt betroffen sein wird.
Sammelband zum Nachlesen
Am Ende der Auftaktveranstaltung stellte Volksanwältin Gertrude Brinek den neuen Sammelband „Eine von Fünf. Gewaltschutz für Frauen in allen Lebenslagen“ vor. Darin wurden alle Vorträge der Ringvorlesung 2016 zusammengefasst, um sie möglichst vielen Interessierten zugänglich zu machen. Zu den Autoren der Publikation zählen namhafte Expertinnen und Experten aus Ministerien, Universitäten, NGOs, Vereinen, der Volksanwaltschaft und aus der alltäglichen Praxis.

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter, Mag.a Maria Rösslhumer – Verein Autonome Österr. Frauenhäuser, Dr. Oliver Scheiber – Vorsteher des Bezirksgerichts Meidling/Wien, Dr.in Helene Klaar – Scheidungsanwältin, Prof.in Dr.in Andrea Berzlanovich – Lehrveranstaltungsleiterin, Zentrum für Gerichtsmedizin der MedUni Wien, Maria Stern – Künstlerin und Volksanwältin Dr.in Gertrude Brinek (v.l.n.r.).Bildnachweis: Volksanwaltschaft


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Die Staatsanwaltschaften brauchen Weisungsfreiheit

Eine leicht gekürzte Fassung dieses Texts ist im FALTER Nr. 47/2017 erschienen

Die großen Parteien des Landes zeigen in den letzten Jahren wenig
Interesse an der Justizpolitik. Lebhafte Diskussionen zu Justizfragen sind
selten geworden. Mit dem Justizsprecher der Grünen Albert Steinhauser scheidet einer
der versiertesten Akteure der Justizpolitik aus dem Parlament aus. Von den im
Parlament verbliebenen Parteien hat vor der Wahl lediglich die Liste Pilz ein
umfassendes Justizprogramm präsentiert. Welche justizpolitischen Vorstellungen
die über eine Regierung verhandelnden Parteien haben, ist offen. Die
punktuellen Einwürfe von ÖVP-Chef Kurz im Wahlkampf – die Strafen für
Gewalttaten seien im Verhältnis zu Vermögensdelikten zu gering, Vergewaltigung
werde oft nur milde bestraft, man benötige Mindeststrafen – sind im Befund
falsch und antworten überdies mit überholten Konzepten.
Justizminister Brandstetter hat in den letzten Jahren
einiges vorangebracht – eine Reform von Jugendstraf- und Sachwalterschaftsrecht
etwa, sowie erste Reformen im Strafvollzug. Vor allem aber hat Brandstetter den
Zugang zum Recht durch Gebührensenkungen erleichtert und nach innen und außen
laufend Sensibilität und Empathie der Justizorgane im Umgang mit den
Bürgerinnen und Bürgern eingefordert; diese Neuorientierung ist auch
international eine Hauptaufgabe der Justizsysteme.  Negativ in der Bilanz fällt die Reform des
Untreuetatbestands auf, die dem Wirtschaftsstrafrecht einen wesentlichen Zahn
gezogen hat.
Als wahrscheinlich wird derzeit gehandelt, dass die
Justizagenden zur FPÖ wandern. Das würde Brandstetters Agenda unterbrechen und weckt
verbreitet Bedenken, die unter anderem darauf zurückgehen, dass die erste
schwarz-blaue Regierung 2000 in einer für Österreich beispiellosen Art
unliebsame Richter persönlich angegriffen und nicht zu Gesicht stehende
Einrichtungen wie den bewährten Wiener Jugendgerichtshof über Nacht aufgelöst
hat. Der damalige Machtkampf zwischen Regierung und Richterschaft – er gipfelte
in einem Offenen Brief der Richterschaft zur Verteidigung der Unabhängigkeit –
ist in Fachkreisen nicht vergessen. Die Tatsache, dass jetzt noch viele
Strafverfahren gegen frühere FPÖ-Politiker laufen, der Justizminister aber
zugleich oberster Herr über die Staatsanwaltschaften ist, vermittelt jedenfalls
kein gutes Gefühl. Eine neue Regierung könnte diesen Bedenken durch ein
Maßnahmenpaket vertrauensbildend entgegenwirken und fällige Reformschritte
setzen.
Die Zeit ist längst reif für eine völlige
Weisungsfreistellung der öffentlichen Anklage. Immer noch steht der
Justizminister an der Spitze der Staatsanwaltschaften – ein System, das 1995
noch akzeptiert wurde, heute aber einen EU-Beitritt hindern würde. Jedem
Strafverfahren, an dem Politiker oder Wirtschaftsgrößen beteiligt sind, haftet
damit der Verdacht der politischen Einflussnahme oder zumindest des
vorauseilenden Gehorsams von Staatsanwaltschaften an. Nach jahrzehntelanger
Diskussion und einem Herumdoktern an Details wäre die Abschaffung der
Weisungskette ein Befreiungsschlag in mehrfachem Wortsinn. Die
Weisungsunterworfenheit bedeutet in der Praxis, dass Staatsanwältinnen und
Staatsanwälten in wichtigen Causen gleich von mehreren vorgesetzten Stellen
beobachtet werden. Allein das Schreiben von Berichten nach oben konsumiert
wertvolle Zeit und Energie und demotiviert. Die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft unterliegt zwar einem gelockerten Weisungsrecht,
doch bleibt auch hier zu viel Sand im Getriebe. Ermittlungen in großen
politischen Fällen, in Wirtschafts- und Korruptionssachen schleppen sich über
Jahre hin und das Agieren der öffentlichen Anklage vermittelt nicht den
Eindruck von Dynamik und Entschlossenheit. Das Potenzial des Abschöpfens
krimineller Vermögen, international ganz oben auf der Agenda der Kriminalitätsbekämpfung,
ist bisher nicht erkannt bzw. nicht umgesetzt. Die Weisungsfreiheit sollte dem
gesamten System Leben einhauchen. Die bekannten Bedenken gegen weisungsfreie
Staatsanwaltschaften überzeugen nicht – denn alles Agieren der Staatsanwaltschaften
unterliegt der Kontrolle unabhängiger Gerichte. Gefährlich für den Rechtsstaat
ist eher die Beißhemmung einer öffentlichen Anklage, die auf das Wohlwollen des
jeweiligen Justizministers angewiesen ist. Einer Untätigkeit von
Staatsanwaltschaften könnte durch erweiterte Rechte der Geschädigten oder ein
Antragsrecht eines Generalstaatsanwalts vorgebeugt werden.
Die Weisungsfreistellung der Staatsanwaltschaften ließe sich
durch die Berufung von Sonderstaatsanwälten zur Bekämpfung von Hate crime und zur Verfolgung von
Kriegsverbrechen ergänzen. Beide Bereiche sind vernachlässigt. Hate crime ist aktuell eines der
Phänomene, die den gesellschaftlichen Frieden am nachhaltigsten stören und
viele Menschen persönlich bedrohen. Es geht darum, Drohungen und Beleidigungen
im Internet als strafrechtswidrig zu benennen und effizient zu verfolgen. Eine
kleine spezialisierte Einheit von Staatsanwälten könnte ein entschiedenes
Auftreten des Staates in diesem Bereich sicherstellen. Dasselbe gilt für
Kriegsverbrechen und verwandte Delikte. Im Gegensatz zu Deutschland ist es
Österreich bisher nicht gelungen, die letzten lebenden Kriegsverbrecher der
NS-Zeit aufzuspüren und anzuklagen. Auch das wird ohne spezialisierte und vor
allem auch motivierte Sondereinheit nicht funktionieren. Es bietet sich an,
eine solche Sonderstaatsanwaltschaft auch mit der Verfolgung sonstiger
Kriegsverbrecher zu betrauen – man denke an Täter aus den Jugoslawienkriegen,
die nun in Österreich leben.
Schließlich ließen sich in ein nächstes Justizreformpaket neue
Straftatbestände zu psychischer Gewalt aufnehmen und einfachere
Klagsmöglichkeiten für Konsumenten und Kleinunternehmer (Sammelklage). Der
Zugang zum Recht sollte durch eine Totalreform der Verfahrenshilfe und eine
Offensive für Verständlichkeit erleichtert werden. Ein Entwurf für das wichtige
Maßnahmenvollzugsgesetz liegt bereits vor, die Schaffung einer Justizakademie
nach EU-Standards harrt seit langem der Realisierung.
Man darf gespannt sein, was davon sich im Justizteil des
kommenden Regierungsübereinkommens findet.

Oliver
Scheiber ist Richter in Wien. Er gibt hier seine persönliche Ansicht wieder.
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Justiz ist nicht sakrosankt – Zur Kritik am Urteil eines Grazer Gerichts

Kommentar für DIE PRESSE vom 28.11.2017
Ein steirischer Arzt wurde vor Kurzem unter anderem vom Vorwurf freigesprochen, seine Kinder gequält zu haben. Das Urteil bewertet laut Medienberichten das äußere Erscheinungsbild der Kinder; über eine Tochter heißt es, sie lege „offensichtlich auf Kleidung, dem Anlass entsprechend, keinen Wert“. Die Exfrau des Angeklagten wird als „überladene Person“ bezeichnet.
Die Wortwahl des Urteils ist schwer mit bestehenden Vorgaben für die Formulierung von Urteilen in Einklang zu bringen. Das Gesetz verlangt von Richtern verständliche Erledigungen. Die Ausdrucksweise müsse „richtig und der Würde des Gerichts angepasst sein. Ausführungen, die nicht zur Sache gehören oder jemanden ohne Not verletzen könnten, sind unzulässig“, heißt es im Gesetz.
Die Bevölkerung erwartet mit Recht, dass gerichtliche Schriftstücke und Äußerungen von Richtern niemanden herabsetzen oder beleidigen; keine Opfer, aber auch keine Angeklagten oder Zeugen. Richter müssen die Wirkung ihrer Worte bedenken. Werden Menschen in Urteilen bloßgestellt, so kann das weitere Opfer von Straftaten davor abschrecken, Anzeige zu erstatten oder auszusagen. Rechtsprechung hat viel mit Grundrechten und der Würde von Menschen zu tun. Deshalb bemühen sich die Verwaltungen der Justizsysteme weltweit, bei der Auswahl und Ausbildung der Richter der Persönlichkeit der Kandidaten mehr Bedeutung beizumessen.

Persönliche Unterstellungen

Gerichtsverhandlungen sind öffentlich, damit Vertrauen in die Justiz entsteht. Gerichte sind nicht sakrosankt, die Meinungsfreiheit berechtigt Medien und Bürger, gerichtliche Entscheidungen zu kritisieren. Für die Weiterentwicklung unseres Rechts ist die kritische Fachdiskussion über Urteile wichtig. Heikel wird Kritik, wenn sie, wie im Fall des Flughafen-Urteils, mit persönlichen Unterstellungen gegen Richter arbeitet.
Umgekehrt ist es wichtig, dass Urteile wie jenes aus Graz aus der Richterschaft selbst kritisiert werden. Denn die große Mehrheit der Richterinnen und Richter leistet gute Arbeit und bedient sich einer anderen Sprache und eines anderen Tons als das Grazer Urteil. Die neue Präsidentin der Richtervereinigung meinte, sie könne die Bedenken gegen die Wortwahl des Urteils nachvollziehen und sieht auch eine Verletzung der Vorgaben der Ethikerklärung der Richtervereinigung. Dort heißt es u.a: „Wir begegnen Verfahrensbeteiligten sachlich, respektvoll und äquidistant und gewähren ihnen ausgewogenes Gehör.“
Die öffentliche Kritik ist berechtigt. Das fallweise verwendete Argument, ohne Kenntnis des Aktes könne man ein öffentlich zitiertes Urteil nicht beurteilen, ist billig; es delegitimiert jede Kritik. Man muss auch nicht die Krankengeschichte kennen, um die irrige Amputation eines gesunden an Stelle eines verletzten Fingers zu rügen. Die Entwicklungen in Polen, Rumänien, der Türkei und Ungarn zeigen, wie wichtig die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter ist. Diese Unabhängigkeit ist aber vor allem auch eine Verpflichtung der Richterschaft gegenüber der Bevölkerung.
Wenn Fehlleistungen wie im Grazer Urteil passieren, dann dürfen und sollen sie kritisiert werden – von innen und von außen.
Dr. Oliver Scheiber (* 1968) ist Richter in Wien; Leiter des Bezirksgericht Meidling. Der Text gibt seine persönliche Ansicht wieder.
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Schützenhöfer vor Gericht: Katalog zur Werkschau

In den Jahren 2015/2016 hat der steirische Maler Josef Schützenhöfer eine große Werkschau am Bezirksgericht Meidling gezeigt. Zu dieser Ausstellung ist nun ein Katalog erschienen: neben Josef Schützenhöfer gilt mein Dank Reinhard Öhner für die grafische Gestaltung, Walter Famler sowie Vizekanzler Justizminister Wolfgang Brandstetter und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Büros sowie des Justizministeriums für die große Unterstützung.
Die Präsentation des Katalogs erfolgte am 18.10.2017 im Justizpalast in Wien zeitgleich mit der Aufstellung eines großen Gemäldes von Josef Schützenhöfer zur Erinnerung an den Tod von 71 Flüchtlingen in einem LKW im Sommer 2015. Das Werk wird für einige Wochen im Justizpalast verbleiben und dann an weitere öffentliche Ausstellungsorte wandern.
Der Katalog zur Ausstellung Schützenhöfer vor Gericht kann zum Preis von EUR 15,- hier bezogen werden: https://www.josef-schuetzenhoefer.com
Bericht über die Aufstellung des Bildes „71“ im Justizpalast:
Vielen Dank an Christine Kainz für die Fotos!
Alle Fotos: Christine Kainz

v.l.: Janice Schützenhöfer, Hawre Ahmad (Lesung),
Josef Schützenhöfer, Verena Latzer (Moderation), Oliver Scheiber

Oliver Scheiber, VK Justizminister Wolfgang Brandstetter

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