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Eine neue Jugendhaftanstalt für Wien?

Justizminister Brandstetter hat Pläne für ein neues Jugendgefängnis in Wien (im früheren Strafbezirksgericht und nunmehrigen Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel im 8. Bezirk) vorgestellt. Ein neues Jugendgefängnis ist dann zukunftsweisend, wenn es Teil einer Reform der Jugendgerichtsbarkeit ist. Folgende Punkte sind zentral:
– Schaffung von Jugendgerichtshöfen (Jugendkompetenzzentren) in den Ballungsräumen: Gericht, Staatsanwaltschaft, Sozialarbeit unter einem Dach, im besten Fall mit angeschlossenen universitären Einrichtungen (Jugendpsychiatrie, Kriminalsoziologie etc)
– Kommunikation im kurzen Weg in den neuen Jugendkompetenzzentren (interdisziplinäre Fallbesprechungen, runde Tische etc)
– bundesweiter Ausbau der hervorragend arbeitenden Wiener Jugendgerichtshilfe
– Ausbau der Alternativen zur Jugendhaft, Beschränkung des geschlossenen Vollzugs auf wenige gefährliche Täter
– Erhöhung der Ressourcen im Jugendstrafvollzug, v.a. mehr Sozialarbeit und Bildungsressourcen
– Reduzierung der langen Einschlusszeiten
– Schaffung eines Heranwachsendenstrafrechts: das Strafrecht muss flexibilisert werden, um reifeverzögerten jungen Straftätern die Eingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern (dzt greift das Jugendstrafrecht nur bis zur Volljährigkeit, einzelne Bestimmungen gelten bis zum Alter von 21 Jahren). Ein moderner Ansatz könnte flexiblere Ansätze bis zu einem Alter von 27 oder 28 Jahren bringen.
Hintergrund : 2002 hat der damalige Justizminister Böhmdorfer die Auflösung des Wiener Jugendgerichtshofs eingeleitet. Der Jugendgerichtshof war in den 70 Jahren seines Bestehens eine weltweit anerkannte Institution, deren Vorbildcharakter international anerkannt war. Eine spezialisierte Jugendgerichtsbarkeit hatte Vorteile: im Spezialgericht haben sich Richterinnen und Richter zusammengefunden, die gerne mit Jugendlichen arbeiten. Sie konnten besonders geschult werden und sich mit anderen Akteuren der Jugendarbeit – Jugendstaatsanwaltschaft, Polizei, Jugendamt, Sozialarbeit, PsychologInnen, JugendpsychiaterInnen – eng vernetzen. Die Stadt Wien etwa konzentrierte im Nachbarhaus des Jugendgerichtshofs die Jugendsozialarbeit – dies machte es möglich, dass Gericht, Staatsanwaltschaft und Sozialarbeit sich kurzfristig treffen konnten, um einzelne Fälle zu besprechen und jugendlichen Straftätern nicht nur Sanktionen anzudrohen, sondern auch Perspektiven zu eröffnen.
Dieses Netzwerk wurde mit der Auflösung des Jugendgerichtshofs zerschlagen. Die Zuständigkeit des Jugendgerichtshofs wurde auf mehr als zehn Gerichte in Wien verteilt, Know how und Kontakte gingen verloren. Rund 85% der Wiener Richterinnen und Richter haben 2002 in einer Petition auf die Nachteile der Auflösung des Jugendgerichts hingewiesen – ein starkes Signal einer traditionell zurückhaltenden Richterschaft, was rechtspolitische Äußerungen betrifft.
Mit der Auflösung des Jugendgerichtshofs wurde die dem Gericht angeschlossene Haftanstalt geschlossen; die jugendlichen Straftäter und Untersuchungshäftlinge sind seither in der großen Justizanstalt Josefstadt (zwischen 88 und 1000 Häftlinge) untergebracht. Die gemeinsame Unterbringung jugendlicher und erwachsener Häftlinge in einer Einrichtung ist ein Unding – die Trennung der jugendlichen Häftlinge von den harten erwachsenen Kriminellen lässt sich in einem Gebäude nie strikt durchführen und widerspricht allen internationalen Expertenempfehlungen.
Ein neues Jugendgefängnis würde also die Trennung der jugendlichen von den erwachsenen Häftlingen mit sich bringen; in diesem Punkt ist der Plan uneingeschränkt zu begrüßen. Allerdings ist zu bedenken: das Polizeianhaltezentrum am Hernalser Gürtel ist für 400 Polizeihäftlinge ausgelegt. Die Zahl der jugendlichen Untersuchungs- und Strafhäftlinge in Wien liegt bei nicht einmal 10% dieser Größe. Mit Hafträumen ist es wie mit Autobahnen: wo Gefängnisse entstehen, werden sie gefüllt. Da derzeit bundesweit mehrere Neubauten für Gefängnisse im Gespräch sind ist es wichtig im Auge zu behalten, dass Österreich im internationalen Vergleich bereits derzeit hohe Häftlingszahlen hat (unter Berücksichtigung von Bevölkerungszahl und Kriminalitätsrate). Die Modernisierung von Hafträumen ist notwendig und sinnvoll, der Ausbau von Haftplätzen dagegen keinesfalls. Für jeden neu errichteten Haftplatz sollte mindestens ein alter Haftplatz zugesperrt werden. Bei Jugendlichen geht der Trend international zur weitgehenden Abschaffung von Untersuchungs- und Strafhaft. An ihre Stelle treten Spezialeinrichtungen des betreuten Wohnens und der Wohngemeinschaft. Österreich bräuchte an modernen Standards gemessen überhaupt nur eine Handvoll Haftplätze für besonders gefährliche Jugendliche. 
Am 1. Juli 2013 hat ein interdisziplinäres Team der Allianz gegen die Gleichgültigkeit nach konkreten Anlässen in einer Pressekonferenz eine Reform des Jugendstrafvollzugs eingefordert: https://www.oliverscheiber.eu/2013/07/allianz-gegen-die-gleichgultigkeit.html

Allianz gegen die Gleichgültigkeit – Aufruf gegen Rassismus und für Reformen im Strafvollzug

Allianz gegen die Gleichgültigkeit


Eine geringfügig gekürzte Version dieses Aufrufs erschien in der Zeitschrift falter Nr. 15/2014

Wir wiederholen unseren Aufruf zu Rassismus und Strafvollzug: Es ist Zeit,
Polizei und Justiz müssen handeln

Harsch kritisieren die Medien das Strafverfahren, das gegen Aktivisten der Refugee-
Bewegung in Wr. Neustadt wegen Schlepperei geführt wird. Zu Recht. Vor genau
einem Jahr (falter 14/2013) haben wir die Allianz gegen Gleichgültigkeit ins Leben
gerufen und an dieser Stelle begründet, warum Polizei und Justiz eine
Rassismusdebatte benötigen. Das Verfahren in Wr. Neustadt zeigt neuerlich die
Dringlichkeit des Anliegens. Viele Experten kritisierten die dünne Beweislage im
Neustädter Verfahren seit Beginn der Ermittlungen. Nun hat die zuständige Richterin
die Hauptverhandlung nach wenigen Tagen abgebrochen: mit diesem Aktenmaterial
könne sie nicht verhandeln. Die Staatsanwaltschaft zog den Haftantrag zurück,
nachdem die Verdächtigen acht (!) Monate in Untersuchungshaft verbracht hatten.
Das Wiener Neustädter Verfahren wirft die Frage von institutionellem Rassismus neu
auf. Politisch missliebige Flüchtlinge, die eine Kirche besetzen, landen auf Zuruf der
wahlkämpfenden Innenministerin in Untersuchungshaft. Wir ziehen den Vergleich:
hätte eine ähnliche Drakonik auch Besitzer österreichischer Pässe getroffen? Legt man
denselben Maßstab, etwa was die Verhängung der Untersuchungshaft betrifft, in den
großen Wirtschaftsstrafsachen gegen Ex-Minister und Politiker an?
1999 startete mitten im Wahlkampf die „Operation Spring“, ein Großverfahren gegen
mutmaßliche Drogendealer, auf Zuruf des damaligen Innenministers. Am Ende stand
die Verurteilung von rund hundert Menschen dunkler Hautfarbe zu mehrjährigen
Haftstrafen. Bald war klar: man hatte keine Drogenbosse, sondern kleine Dealer
erwischt. Viele Verfahren strotzten vor Fehlern und Grundrechtsverstößen.
Dolmetscher hatten falsch übersetzt. Derselbe anonyme Zeuge machte in
Parallelverfahren unterschiedliche Angaben. Ein Großaufgebot der Polizei im
Gerichtsgebäude suggerierte der Öffentlichkeit die Gefährlichkeit der Angeklagten.
Die Strafen waren exzessiv. Der Film „Operation spring“ gibt anschauliche Einblicke.
Und nun die Wiederholung im Refugee-Verfahren: die Ermittlungen beginnen auf
Zuruf der Innenministerin kurz vor der Nationalratswahl. Fragliche Dolmetschungen
tauchen auf. Ein Dolmetscher habe etwa das Wort „Leute“ mit
„Schleppungsunwilligen“ übersetzt, berichten Medien. Ein solcher
Übersetzungsfehler passiert einem nicht einfach so.
Die Angeklagten haben nach der langen U-Haft weitere Zermürbung und enorme
Anwaltskosten vor sich. Die beabsichtigte Wirkung tritt ein: Einschüchterung der
Schwächsten der Gesellschaft. Und auch wer Flüchtlinge unterstützt, muss sich das
künftig drei Mal überlegen. Erst vor wenigen Wochen wurde eine Anklage gegen den
prominenten Flüchtlingshelfer Michael Genner von „Asyl in Not“ unmittelbar vor
Beginn der Hauptverhandlung zurückgezogen. Genners eindringliche Mahnung,
Fluchthelfer nicht a priori mit Verbrechern gleichzusetzen, hätte ihm beinahe eine
öffentliche Strafverhandlung wegen Gutheißens einer Straftat eingebracht.
Aus der Operation Spring hat man vor 15 Jahren keine ausreichenden Konsequenzen
gezogen. Der aktuelle Jahresbericht der Antirassismusinitiative „ZARA“ führt aus,
dass sich an der Rassimusproblematik in Polizei und Justiz „seit 15 Jahren offenbar
nichts Grundlegendes geändert“ hat und belegt dies mit Beispielen. Die Jahresberichte
von Amnesty International weisen regelmäßig auf strukturellen Rassismus hin. SOS
Mitmensch beklagt, dass der Verhetzungstatbestand bei verbalen Angriffen auf
Minderheiten nicht eingesetzt wird. Die laufende UN-Menschenrechtsprüfung
empfiehlt Österreich nachdrücklich, verstärkt Aktivitäten gegen Rassismus zu
unternehmen.
Nach wie vor verfügt die Justiz über keine strukturell angelegten Fehleranalysen, kein
Qualitätsmanagement, das nicht (überaus bremsend) rein auf disziplinäre
Konsequenzen abzielt, sondern – wesentlich produktiver – auf Systemverbesserungen
angelegt wäre. Polizei und Justiz benötigen dringender denn je eine andere
Fehlerkultur und professionelle Beratung zu Antirassismusstrategien und für den
Umgang mit Minderheiten und Schwachen. Es gibt dazu best practice-Modelle in
vielen Staaten und mit der Grundrechteagentur der EU Unterstützung direkt vor Ort in
Wien.
Zu einem solchen neuen Qualitätsmanagement sollte die richterliche Berufsvertretung
einen Beitrag leisten. Die Richtervereinigung hat zwar eine Ethikerklärung
verabschiedet. Allein, im Gerichtsalltag fehlt es immer wieder an der Umsetzung.
Eben erst wurde ein lange urgierter Workshop zum Thema „Institutioneller Rassismus
“ für das interne Seminar „Zukunft Justiz“ der Richtervereinigung abgelehnt. Man
versucht sich modern zu geben – und erstickt gleichzeitig internes kritisches
Engagement. Man vergibt die Chance, mit jungen ambitionierten Richterinnen und
Richtern neue Qualitätsstandards in Sachen Grundrechtsverständnis,
Kommunikationskompetenz und Europäisierung für eine multiethnische Gesellschaft
zu schaffen.
Vor einem Jahr haben wir an dieser Stelle neben einer Rassismusdebatte auch eine
Reform des Strafvollzugs eingefordert. Kurz nach Erscheinen unseres Aufrufs wurde
der Fall der Vergewaltigung eines 14-jährigen Untersuchungshäftlings in der
Justizanstalt Josefstadt bekannt. Für den Jugendstrafvollzug wurde in der Folge ein
kluges Papier formuliert. Die Umsetzung liegt, von kleineren Änderungen im
Jugendstrafvollzug in Wien abgesehen, weiter auf Eis. Der Erwachsenenstrafvollzug
und im Besonderen der so genannte Maßnahmenvollzug für psychisch kranke
Menschen benötigen ganz dringend struktureller Reformen.
Die Allianz gegen die Gleichgültigkeit appelliert seit einem Jahr an das Parlament, an
die Ministerien und an die Vereinigungen der Rechtsberufe, im Feld „institutioneller
Rassismus in Polizei und Justiz“ und im Strafvollzug endlich (gesetzliche)
Maßnahmenpakete – und Tempo – zu entwickeln. Im Ernst: Es wird Zeit. Worauf
wird eigentlich gewartet?
Die UnterzeichnerInnen geben, soweit sie auch Funktionen ausüben, einzig ihre

persönliche Meinung wieder.

Mia Wittmann-Tiwald, Richterin, Co-Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte in der
RichterInnenvereinigung
Hannes Tretter ist Leiter des renommierten Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte in Wien
Maria Windhager ist Rechtsanwältin und eine der führenden Medienrechtlerinnen in Wien
Richard Soyer ist Rechtsanwalt, Universitätsprofessor für Strafrecht und Sprecher der
StrafverteidigerInnenvereinigung
Thomas Höhne ist Rechtsanwalt. Er ist Mitinitiator des Universitätslehrgangs
Informationsrecht an der Uni Wien
Barbara Helige, Richterin, Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte
Alfred J. Noll, Rechtsanwalt und Universitätsprofessor in Wien, Mitglied im Ausschuss der
Rechtsanwaltskammer Wien
Manfred Nowak ist Universitätsprofessor für Verfassungsrecht. Er war UNSonderberichterstatter
gegen die Folter.
Alexia Stuefer ist Rechtsanwältin in Wien und Generalsekretärin der
StrafverteidigerInnenvereinigung.
Oliver Scheiber, Richter, Lehrbeauftragter an der Univ. Wien, Mitgründer der Fachgruppe
Grundrechte der RichterInnenvereinigung

Anatole France’ Crainquebille

Literaturnobelpreisträger Anatole France hat mit der kurzen Erzählung Crainquebille vor mehr als 100 Jahren einen noch immer gültigen Text über Recht, Gerechtigkeit und Klassenjustiz geschaffen:

Der Strafprozess als religiöses Schauspiel

Anatole
France’ Crainquebille

Anatole France (1844 bis 1924) war zu
seiner Zeit einer der führenden französischen Schriftsteller und
Intellektuellen und erhielt 1921 als vierter französischer Autor den
Literaturnobelpreis. Er wuchs als Jacques Anatole Thibault[1]
in Paris auf. Sein Vater, François Noël Thibault, betrieb die Buch­handlung
„Librairie de France“ am Quai Voltaire und war seinen Kunden mehr als „France“
und weniger als „Thibault“ bekannt (Lajta, 8).
1881 gelingt Anatole France im
Alter von 37 Jahren mit dem Roman Die
Schuld des Professors Bonnard
(Le
crime de Sylvestre Bonnard
) der Durch­bruch als Schriftsteller. Politisch
stand France in dieser Zeit noch den Kon­ser­vativen nahe. 1888 beginnt France,
damals noch verheiratet und Vater einer Tochter, ein Verhältnis mit Madame
Armand de Caillavet, die in Paris einen Salon führt. Das Verhältnis beeinflusst
das politische und literarische Werk von France und dauert bis zum Tod von
Madame Armand 1910. Wäh­rend France sich 1893 scheiden lässt, duldet der
Ehemann seiner Ge­liebten ihre gemeinsamen Reisen und sogar, dass France
zeitweise in ihrem Haus arbeitet und wohnt. Die ehrgeizige Madame Armand spornt
France an; nicht ohne Erfolg: 1896 wird France Mitglied der Académie Française.
Neben dieser privaten
beeinflusst auch eine politische Affäre den Schrift­steller und Denker France entscheidend:
die Dreyfus-Affäre bedeu­tete einen der großen Justizskandale der Zeit und
spielte im politischen Leben Frankreichs über Jahre hin eine zentrale Rolle.
Der jüdische Haupt­mann Alfred Dreyfus war 1894 durch ein Fehlurteil wegen
Spionage und Landesverrats vom Pariser Militärgericht zu lebenslanger
Deportation auf die Teufelsinsel verurteilt worden. Die Auseinandersetzung über
das Urteil, ge­fällt nach einem von Antisemitismus geprägten Verfahren, führte
zu einer Polarisierung der Gesellschaft. Im Lager der Dreyfus-Gegner sammelten
sich Monarchisten, überwiegend das katholische Lager und antisemitische Gruppierungen.
Diese Seite wurde von der Pariser Presse unterstützt. Erst im Laufe der
jahrelangen Ausein­andersetzungen gewannen die Dreyfus-An­hänger, unter ihnen
Wissen­schafter, Intellektuelle und Schriftsteller, an der Spitze Émile Zola,
an Be­deutung. Zola verfasste seine Streitschrift J’accuse und wurde daraufhin selbst verurteilt. Durch die
Verurteilung Zolas, des be­rühm­testen Roman­schriftstellers Frankreichs zu dieser
Zeit, schlug die Drey­­fus­-Affä­re weltweit Wellen. Ungeachtet der vorangehenden
persön­lich­en Antipathie stand Anatole France in diesen Jahren kämpferisch an
der Seite Zolas.
In den Jahren 1908 und 1912
entstanden die Hauptwerke des Anatole France, die Romane Die Insel der Pinguine sowie Die
Götter dürsten
. Poli­tisch rückte France weiter nach links. Gegen Ende
seines Lebens stand er an der Seite der Kommunisten, nach deren Auszug aus der
sozialistischen Par­tei 1920. Bereits 1922 setzte er sich, seiner kritischen
Haltung ent­sprechend, von den Kommunisten wegen ihrer absoluten
Moskauhörigkeit wieder ab.
Die Bedeutung von Anatole
France zu seinen Lebzeiten lässt sich heute nur mehr erahnen. Die Auswertung
der Ausleihungen der Bibliotheken zeigt, dass France damals auch im deutschsprachigen
Raum zu den meist­gelesen Autoren zählte (Lajta, 95). Zu seinem 80. Geburtstag,
1924, wurde Ana­tole France mit Ehrungen überhäuft. Kurz darauf verstarb er. Er
erhielt ein Staatsbegräbnis, an dem der Präsident der Republik und sämtliche Mi­nis­ter
sowie zahlreiche Arbeiterführer teilnahmen (Lajta, 25). Einen Ein­druck von der
Einschätzung der Zeitgenossen vermittelt der Nachruf, der am 13. Oktober 1924
in der österreichischen AZ (Arbeiterzeitung) erschie­nen ist: „Eine Leuchte ist
erloschen, deren Schein über den Erdkreis strahl­te, eine Stimme verstummte,
deren Klang die ganze zivilisierte Welt lausch­te, ein Geist gebrochen, der ein
Menschenalter hindurch unter den klarsten Geis­tern Europas glänzte.“[2]
Vom „bedeutendsten Schriftsteller der Gegen­wart“ spricht der Nachruf der Neuen
Freien Presse.[3]
Heute erfährt France nur mehr
geringe Rezeption. Es erscheinen kaum Bücher über ihn, ja es herrscht eine
gewisse „Ratlosigkeit in Bezug auf Ana­tole France“ (Lajta, 5).

 

Die Handlung

Die kurze Erzählung Crainquebille
ist 1901 entstanden. Jérome Crainque­bille ist ein einfacher, wenig gebildeter
Mann von etwas über sechzig Jah­ren. Sein ganzes Leben war er fahrender
Gemüsehändler. Um 5.00 Uhr früh ersteigert er Gemüse am Großmarkt, um dann den
ganzen Tag seinen Gemüsewagen durch die Rue
Montmartre
zu ziehen.
Das Unglück des Gemüsehändlers
beginnt, als er eines Tages auf eine Kun­din wartet, die, um ihren Einkauf zu
bezahlen, Geld aus ihrem Laden holt. Durch das längere Anhalten mit seinem
Wagen verursacht Crainque­bille in den Augen eines Polizisten („Der Polizist
mit der Nummer 64“) ei­nen kleinen Stau in der Rue Montmartre. Auf die
Aufforderung des Polizis­ten, weiterzugehen, erwidert Crainquebille, er müsse
doch auf sein Geld war­ten. Der Polizist bildet sich fälschlich ein,
Crainquebille habe eine Belei­digung („Mort aux vaches! – „Tod den Bullen!“)
ausgesprochen und ver­haf­tet den Gemüsehändler.
Crainquebille verbringt eine
Nacht auf der Wache und wird dann ins Gerichtsgefängnis überstellt. Er erhält
einen Verteidiger beigegeben, die Gerichtsverhandlung findet bald statt. Obwohl
ein angesehener Arzt als Zeuge für Crainquebille aussagt und die Unschuld
Crainquebilles deutlich wird – der Polizist gibt in der Verhandlung völlig
unglaubhaft an, auch der Arzt habe ihn beleidigt – folgt der Richter allein der
Aussage des Poli­zei­beamten und verurteilt den Gemüsehändler zu zwei Wochen
Haft und einer Geldstrafe.
Nach der Verbüßung der Haft
zeigt sich, dass die Mundpropaganda die Tatsache von Crainquebilles
Gefängnisaufenthalt in der Rue Montmartre verbreitet hat und seine Kunden
ausbleiben. Crainquebille beginnt zu trin­ken, lässt sich in Streitigkeiten mit
Kunden ein und verliert seine wirt­schaft­liche Existenz. Aus seinen ohnedies
elenden Verhältnissen, Crainquebille übernachtete bisher nur in einem Verschlag,
in dem er jetzt auch nicht mehr bleiben kann, noch weiter abgestürzt, verfällt
Crainquebille auf die Idee, nun tatsächlich einen Polizisten zu beleidigen, um
wenigstens in den Genuss der Grundversorgung eines Gefängnisses zu kommen. Aber
auch hier schei­tert Crainquebille. Der Polizist, an den er diesmal gerät,
sieht von einer Anzeigeerstattung ab. Der Schluss der Erzählung ist trist, der
Weg in den Selbstmord angedeutet: „Crainquebille senkte den Kopf und schritt
mit hängenden Armen durch den Regen in die Dunkelheit“ (S. 79).[4]
Die Erzählung ist 1900-1901
erstmals in Fortsetzungen in Le Figaro,
erschienen, 1901 und 1902 dann in Form von Broschüren. 1903 gab France auch
eine Version als Theaterstück heraus; darin wurde der Schluss posi­ti­ver
gestaltet. An die Stelle des angedeuteten Selbstmords tritt die Einladung eines
Waisenjungen, der Crainquebille ein Abendessen anbietet. Das Stück er­lebte
bereits am 24.11.1903 im Theater in der Josefstadt seine öster­reichische
Uraufführung und wurde dort in der Folge weitere achtzehn Mal gezeigt (Lajta,
71).
1922/23 entstand nach der
Erzählung ein Stummfilm nach einem Dreh­buch und unter der Regie von Jacques
Feyder; Maurice de Féraudy spielte die Hauptrolle. Das Ende des Films folgt der
Theaterfassung: ein klei­ner Junge tritt auf, der von allen „die Maus“ genannt
wird. Ihm gelingt es, den alten Crainquebille vom Sprung in die Seine
abzuhalten und wieder fröhlich zu stimmen. Die Authentizität des Maurice de
Féraudy in der Rolle des Jé­rôme Crainquebille prägte eine ganze Generation
französischer Schau­spieler. Der Film gilt als eines der wichtigsten Werke der
französi­schen Stummfilmära. Die Kopien verloren sich in alle Welt. Erst
kürzlich konnte aus mehreren Fragmenten eine restaurierte Fassung mit einer
Länge von 73 Minuten hergestellt werden. Sie wurde am 2. Juli 2005 im Pariser
Jardin du Lu­xem­bourg im Rahmen des Sommerkinos uraufgeführt, begleitet von einem
Orchester unter der Leitung von Antonio Coppola.[5]

Die Justizkritik im Kontext ihrer Zeit

Crainquebille
zeigt eine Klassenjustiz, die völlig bedenkenlos im Sinne der Mächtigen agiert.
Die Erzählung erschien, als die Dreyfus-Affäre auf ihren Höhepunkt zusteuerte,
und ist zweifellos in diesem Kontext zu sehen. Die Kritik am Justizsystem hat
darüber hinaus aber allgemeine Gültigkeit, zeigt sie doch die Hilflosigkeit des
einfachen, mittellosen und ungebildeten Men­schen im Gerichtssaal, vor dessen
Ritualen und der dort herrschenden ab­ge­ho­benen Sprache. Interessant ist die
Parallelität der Kritik mit Karl Kraus’ ziem­lich zeitgleich entstandenen
Prozessbeobachtungen in Österreich in Sitt­lichkeit
und Kriminalität
.
Die Erzählung ist formal
äußerst kompakt und kurzweilig gestaltet. Die Sprache ist einfach, voll Ironie,
Witz, Spott und Sarkasmus. Während der Au­tor mit diesen Mitteln Missstände anprangert,
lässt er den einfachen, un­ter die Räder der Gesellschaft gekommenen Personen,
wie hier dem Gemü­se­händler Crainquebille, Wärme und Empathie zukommen. Der
Autor er­greift die Partei der wirtschaftlich Schwachen, die unter den damaligen
Ver­hältnissen kaum Möglichkeiten hatten, sich aus ihrem Elend zu befreien.
Diese auch in den anderen Werken von France dominierende Grundhaltung machte
ihn nach dem Tod Zolas (1902) zur führenden Persönlichkeit unter jenen französischen
Schriftstellern, die für eine gerechtere Gesellschafts­ordnung ein- und gegen
soziale Missstände auftraten.
Die Erzählung – der schon
zitierte Schlusssatz der Urfassung macht es deut­lich – enthält wenig Hoffnung.
Ungeachtet der Anklänge an die Drey­fus-Affäre bringt es Thomas Baldischwieler[6] auf den Punkt, wenn er davon spricht,
dass die Geschichte um Crainquebille insofern depri­mierender als die
Dreyfus-Affäre sei, da Crainquebille nicht einmal be­greife, dass er das Opfer
eines Justizirrtums geworden ist.

Die Verhandlung als religiöses Schauspiel

Crainquebille ist sich im Zuge seiner Auseinandersetzung
mit dem Poli­zis­ten noch sicher, diesen nicht beleidigt zu haben. Beeindruckt
von der Zere­monie der Verhandlung und der Ausstattung des Gerichtssaals stellt
sich bei ihm jedoch ein Schuldbewusstsein ein, das der Autor mit der Erb­sünde
ver­gleicht (S. 53). Die Verurteilung wird für Crainquebille zu einem „heh­ren
Mysterium“, zu einer „zugleich dunklen und einleuchtenden, herrlichen und schrecklichen
Offenbarung“ (S. 53).
Der Justiz gelingt es, den
unschuldigen Crainquebille allein schon mit ihrem Zeremoniell und ihren
Ritualen zu erschlagen:
Er war sich selbst nicht darüber klar, dass sich die Richter
geirrt hatten. Das Ge­richt hatte seine geheimen Schwächen unter der
Erhabenheit der Formen vor ihm verborgen. Er vermochte nicht zu glauben, dass
er Recht haben sollte ge­gen­über Männern in der Robe, deren Rechtsgründe er
nicht verstanden hatte: Un­möglich konnte er davon ausgehen, dass etwas an
dieser schönen Zeremonie nicht in Ordnung sein mochte. Denn da er weder in die
Messe ging noch im Élyséepalast verkehrte, hatte er im Leben noch nichts so
Schönes gesehen, wie diese Verhandlung vor der Strafkammer (S. 53).
Dieser kurze fünfte Abschnitt der Erzählung, unter dem
Titel „Von Crain­que­bille’s Unterwerfung unter die Gesetze der Republik“
schließt an den ersten Abschnitt an, der nicht ohne Sarkasmus als „Von der
Erhabenheit der Gesetze“ bezeichnet ist. Hier am Beginn der Erzählung hebt der
Autor das Einschüchternde an der Erscheinung von Gerichtssaal und Richtern hervor:
die Verdienstorden, die der Richter in der Verhandlung trägt, die Büste der Re­publik
und das Kreuz an der Rückwand des Verhandlungs­saales. Crain­quebille empfindet
im Verhandlungssaal „den gehörigen Schrecken“ (S. 7), er ist,
von Ehrerbietung durchdrungen, von Furcht und Schrecken
überwältigt (…) bereit, die Entscheidung über seine Schuld ganz den Richtern
anheimzustellen. Vor seinem Gewissen empfand er sich nicht als Verbrecher; doch
er spürte, wie wenig das Gewissen eines Gemüsehändlers im Angesicht der Symbole
des Ge­setzes und der Bevollmächtigten der rächenden Gesellschaft bedeutete (S.
11).
In dieser Umgebung verschlossen ihm Ehrfurcht und Angst den
Mund (S. 27).
In der Verfilmung der Erzählung wird die Übermacht des Gerichts
mit – für die damalige Zeit beachtlichen – Trickeffekten versinnbildlicht, in­dem
die Rich­ter und der Polizeibeamte im Gerichtssaal zu Riesen wachsen…
Die Erzählung spricht damit die
Ähnlichkeiten zwischen Gerichts­ver­handlungen und religiösen Zeremonien an.
Beides rituelle Abhandlungen in entsprechenden Baulichkeiten, wirken sie erschreckend
und Ehrfurcht ein­flö­ßend. Betrachten wir heute einen der kürzlich
renovierten, historischen Ver­handlungssäle des Obersten Gerichts­hofs im
Justizpalast in Wien, so kön­­nen wir Crainquebilles Gefühle gut nachempfinden.
Prunkvoll ausge­stat­tete Räume, mit stark er­höhten Richterbänken, womöglich
zusätz­li­chen Schran­ken, die die Ange­klagten oder Parteien des Verfahrens
vom Rich­­ter­tisch noch weiter abtrennen, dunkles Holz, sowie staatliche oder
re­li­giöse Sym­bole im Gerichtssaal sind durchaus in der Lage, eine faire Kom­mu­ni­ka­tion
erst gar nicht aufkommen zu lassen. Man könn­te durch­aus sagen, dass ein
faires Verfahren im Sinne der Menschenrechts­kon­­ven­tion auch eine adäquate
Ausstattung des Verhandlungssaals verlangt.
In den letzten Jahren ist es in
Österreich durch eine nüchterne Gerichts­archi­tektur zu einem gewissen Bruch
mit der Vergangenheit gekommen. Ge­meinsam mit diversen Änderungen der
Prozessordnungen – so müssen erst seit rund zehn Jahren Angeklagte, Zeuginnen
und Zeugen bei ihren Ein­vernahmen in der Verhandlung nicht mehr stehen,
sondern verfügen über einen Sitz vor dem Richter bzw der Richterin; derzeit wird
die Streichung der Möglich­keit der Beeidigung aus dem Gesetz vorbereitet –,
führt dies zu einer neuen Kultur des Gerichtssaals, die modernen Vorstellungen
von Jus­tiz und Streitbeilegung angemessener ist. Fragt man Parteien und Zeu­gin­nen
so­wie Zeugen, aber auch Geschworene und Schöffinnen und Schöf­fen nach ihren
Eindrücken von Gerichtsverhandlungen, so hört man freilich nach wie vor viel zu
oft, dass sie sich überfahren und in die Ecke gedrängt fühlten.
Die Autorität muss jedoch nicht
ganz ohne Insignien auskommen. Der Talar, den der Richter oder die Richterin in
der Verhandlung trägt, kann für alle Beteiligten po­si­tiv wirken. Für den
Angeklagten bzw. die Partei des Zi­vil­­verfahrens, weil er deutlich macht,
dass der Richter und die Richterin Trä­ger der staatlichen Macht sind. Auch
wenn es in der Verhandlung zu ei­nem ruhigen Austausch der Argumente zwischen
Gericht und Parteien kommt, so wird doch am Ende der Richter bzw die Richterin eine
Ent­schei­dung treffen, die für alle verbindlich gilt. Diese Hierarchie des
Gerichtssaals bleibt durch den Talar für alle ständig präsent. Auch für die
Richterinnen und Richter: tragen sie den Talar, so verstecken sie sich zwar
nicht hinter dem Gesetz; es wird aber auch für sie selbst deutlich, dass sie
eine Rolle spie­­len, nämlich als Wahrer und Anwender der Gesetze. Entspricht
ein an­zu­­wendendes Gesetz nicht der persönlichen Einstellung des Richters
oder der Richterin, was zwangsläufig immer wieder vorkommt, so wird die Er­füllung
der Aufgabe einfacher, wenn der Talar dem Richter bzw. der Rich­te­rin die
Rolle als Amtsträger ins Bewusstsein ruft. Im Übrigen unterliegt auch die
Haltung zu den Insignien der Macht der Mode. Es gibt Genera­tio­nen von
Richterinnen und Richtern, die ziemlich geschlossen den Talar tra­gen, dann
wieder andere, bei denen sich der Talar wenig Beliebtheit erfreut. In den
österreichischen Gerichtssälen tragen die Richterinnen und Richter in Straf­verhandlungen
in der Regel den Talar. Die Zivilrichterinnen und Zivil­richter, vornehmlich
der mittleren Generation, verhandeln auch gerne in zivi­ler Kleidung – und
nehmen damit in Kauf, das Gesetz zu ver­letzen, das das Anlegen des Amtskleids (schwarzer
Talar und eine Kappe, Barett genannt) vorschreibt und auch – freilich rein
männerbezogen – De­tails nicht ver­gisst: „Zum Amtskleid sind zu tragen: ein
Straßenanzug oder ein Anzug aus dunklem Stoff, schwarze Straßenschuhe, dunkle
Socken oder Strümpfe, eine Krawatte aus schwarzem Stoff und ein weißes Hemd.“

Crainquebilles ‚Unterwerfung unter die Gesetze’

Crainquebilles Haltung, sich den Richtern und den Gesetzen
zu unter­wer­fen, ist durchaus repräsentativ. Selbst im Alltag des
Strafprozesses zeigt sich, dass die Akzeptanz des Strafrechts in der
Bevölkerung hoch ist. An­ge­klagte verantworten sich in einem hohen Ausmaß
geständig, in jedem Fall aber werden verhängte Strafen zu einem ganz hohen
Prozentsatz akzeptiert. Rechtsmittel gegen Strafurteile sind die Ausnahme – wir
erleben sie vor allem in politisch brisanten oder sonst medienwirksamen
Prozessen, etwa Mordverfahren. Im Alltag dagegen ist es durchaus nicht unge­wöhnlich,
dass Angeklagte, so wie Crainquebille, trotz ihrer Unschuld gleichsam mit
schlech­­tem Gewissen vor Gericht auftreten und sich oft schuldig fühlen, wo ju­ristisch
von Schuld keine Rede sein kann. Menschen, die tatsächlich ver­gessen haben,
den einen oder anderen Artikel im Supermarkt zu bezahlen, bekennen sich dann
schuldig, obwohl ihnen jeder Vorsatz fehlt, der für eine gerichtliche
Verurteilung wegen Diebstahls notwendig wäre. Auch Beschul­dig­te, die ihre
Schulden bei Versandhäusern nicht bezahlen können und wegen Betrugs angeklagt
werden, verantworten sich oft geständig. Sie mei­nen damit, dass sie die
offenen Beträge der Bestellungen schulden, obwohl auch ihnen jeglicher
Betrugsvorsatz fehlt, der eine strafgerichtliche Verur­teilung tragen könnte.
In solchen Fällen ist das richterliche Berufsethos ge­fragt, um die
Beschuldigten auf ihren Irrtum aufmerksam zu machen und nicht schnell mit einem
Schuldspruch auf Grund des irrigen Schuld­be­kennt­nisses vorzugehen. Gefordert
ist natürlich auch die Verteidigung, die in man­chen Fällen dazu neigt, ihrer
Mandantschaft vorschnell zu einem Ge­ständnis zu raten. Nicht anders ergeht es
Crainquebille: „Schon sein Anwalt hatte ihn halbwegs davon überzeugt, dass er
nicht unschuldig war“ (S. 11).
Crainquebille wird in der
Verhandlung von seinem Pflichtverteidiger durch­aus nicht ohne Engagement
verteidigt. Der Verteidiger endet sein Plä­do­yer so:
Und selbst wenn Crainquebille ‚Scheißbulle’ gerufen hätte,
wäre es noch sehr die Frage, ob dieses Wort aus seinem Munde als strafbar
anzusehen wäre. Crain­quebille ist das uneheliche Kind einer in Lastern und
Trunk vegetierenden ambulanten Händlerin und damit der geborene Alkoholiker.
Sie sehen selber, welch ein Wrack sechzig Jahre Elend aus ihm gemacht haben.
Meine Herren, sie werden ihm Unzurechnungsfähigkeit zubilligen (S. 37).
Dieser argumentative Zug ist für Crainquebille einerseits
demütigend, spricht er doch – bis dahin – keineswegs dem Alkohol zu; auf der
anderen Seite schöpft der Verteidiger, wie es seine Pflicht ist, damit alle
Mittel aus, um Crainquebille eine Verurteilung zu ersparen.

Justiz und Sprache

Crainquebille ist der Szenerie der Gerichtsverhandlung in
keiner Weise gewachsen. „Der Vorsitzende, Herr Bourriche, widmete der Befragung
von Crainquebille volle sechs Minuten“ (S. 27).
Hält man sich die geringe
Bedeutung der Sache, die Beleidigung eines Amtsorgans, vor Augen, so erscheinen
die sechs Minuten für die Befragung gar nicht so kurz. Schwerer wiegt, dass es
Crainquebille nicht gelingt, sich vor Gericht verständlich zu machen und ihm
der vorsitzende Richter keiner­lei Hilfestellung leistet. So kommt es, dass der
Richter die Verantwortung Crain­quebilles in der Verhandlung als geständig
wertet, wo doch Crainque­bille versuchte, das Gegenteil zu artikulieren.
Einer der
Hauptpunkte jeder Justizkritik ist die für die juristischen Laien wenig
verständliche Fachsprache. Es ist eine der größten Herausfor­derun­gen für die
moderne Justizpolitik, hier Haltungsänderungen bei den Richte­rin­nen und
Richtern herbeizuführen. Zweifellos, Fachausdrücke und Wort­wiederholungen, die
der juristischen Präzision dienen, sind un­umgänglich. Endlose, verschachtelte
Sätze und die Verwendung veralteter, außerhalb des Ge­richts ausgestorbener
Begriffe sind aber verzichtbar und im Ergebnis schlicht und einfach
menschenfeindlich. Es macht eine Gerichtsent­schei­dung für die Betroffenen
unlesbar, wenn die Parteien des Prozesses darin nicht als „Herr Müller“ und
„Frau Müller“, sondern, um ein Beispiel zu nennen, durchgehend als „Antragsteller
und gefährdete Partei“ und „Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei“
bezeichnet werden.
Die Verwendung der Fachsprache
mitsamt dem ihr eigenen, vertrackten Satz­bau entspricht ohnedies mehr einer
schlechten Tradition und dem Wunsch, den Bürgerinnen und Bürgern die Macht des
Gerichts vor Augen zu führen, als irgendwelchen sachlichen Notwendigkeiten. Das
mag bei anderen Berufen auch so sein, wirkt sich aber im Gerichtsalltag
besonders schlimm aus: Wie muss sich der Angeklagte fühlen, der eine Urteils­ver­kündung
nicht versteht oder die Partei eines Zivilverfahrens, die ohne Hilfe ihres
Anwalts bzw ihrer Anwältin einen ihr zugestellten, für sie ganz we­sent­lichen
Gerichtsbeschluss nicht deuten kann?
Der Zugang zum Recht hat also
mehrere Facetten, von denen einige im Fall Crainquebille angesprochen werden:
Zugang zum Recht bedeutet nicht nur, dass auch die Mittellosen die Möglichkeit
haben, von Rechts­anwäl­tinnen und Rechtsanwälten vor Gericht vertreten zu
werden. Es muss auch heißen, dass die weniger Gebildeten in einer ihnen
verständlichen Sprache vom Gericht belehrt und befragt werden. Geschieht das
nicht, so werden Ungleichheiten verfestigt, das Verfahren wird unfair.

Crainquebille als Opfer der freien Beweiswürdigung

Die österreichische Rechtsordnung kennt so wie die meisten
entwickelten Rechts­systeme das Prinzip der freien richterlichen
Beweiswürdigung. Die Richterinnen und Richter sind also ganz frei darin, die
ihnen präsentierten Beweise zu würdigen. Es gibt keine Beweisregeln, etwa dass
Schriftstücke mehr Beweiskraft hätten als Zeugenaussagen. Auch kann das Gericht
eine Verurteilung auf einen einzigen Tatzeugen stützen trotz mehrerer Alibi­zeu­gen,
wenn es diese Alibizeugen für unglaubwürdig hält und dies auch be­gründen kann.[7]
Das Abwägen der Aussagen von
Parteien und Zeuginnen und Zeugen bzw der sonstigen Beweismittel
(Schriftstücke, Sachverständigengutachten usw) ist wohl die schwierigste
Aufgabe der Richterin bzw des Richters. Bei der schriftlichen Urteilsausfertigung
gilt vielen die Beweiswürdigung als anspruchsvollster Teil, schwieriger als die
Feststellung des Sachverhalts und die rechtliche Würdigung der festgestellten
Tatsachen. Nicht selten fin­den wir daher in der Beweiswürdigung bloße
Leerformeln („war glaub­würdig“, „auf Grund seines glaubhaften Auftretens“,
usw). Es ist nun ein­mal ein schwieriges Unterfangen, zu beschreiben, auf Grund
welcher Ein­drücke und Wahrnehmungen man einem Menschen mehr glaubt und dem
anderen weniger. Crainquebilles Richter machte es sich einfach: Aus dem Ablauf
der Gerichtsverhandlung wird deutlich, dass er nicht geneigt ist, die verschiedenen
Aussagen wirklich abzuwägen. Er glaubt dem Polizisten auf Grund von dessen
Amtsstellung.
In der Erzählung selbst werden
zwei denkbare Begründungen für die Hand­lungsweise des Richters entwickelt. In
einem eigenen Abschnitt („Recht­fertigung für den Vorsitzenden Bourriche“)
lässt der Autor zwei Prozessbeobachter, einen Laien und einen Rechtsanwalt,
über das Vorgehen des Richters im Fall Crainquebille diskutieren. Der Laie, ein
Kupferstecher als Vertreter des einfachen Volkes, nimmt den Standpunkt ein,
dass der Rich­ter unabhängig jeder Überlegung, wer die Wahrheit gesagt habe,
dem Polizisten als Amtsorgan zu folgen habe, und dass dies schon so seine Rich­tigkeit
habe. Der Beamte sei eine staatliche Autorität, die ganz abstrakt für eine
eigene Wahrheit stehe. Wir treffen wieder auf die Analogie zum Reli­giö­sen, wenn
der Kupferstecher meint, das Gericht stütze sich
auf die Aussage des Beamten 64, der reine Vorstellung ist,
so etwas wie ein auf den Zeugenstand gefallener Abglanz des Göttlichen. (…)
Die Gesellschaft be­ruht auf der Macht, und die Macht verdient Achtung als die
erhabene Grundlage jeder Gesellschaftsordnung. Die Justiz aber verwaltet die
Macht (S. 45-47)-
Damit vertritt der Kupferstecher ein zynisches Verständnis
von Recht­sprechung – die Justiz als bloßer Büttel der Herrschenden, als
Vollzugs­organ der Regierenden. Der Richter dürfe nur folgendermaßen denken:
Die Starken entwaffnen und die Schwachen bewaffnen, das
hieße die Gesell­schafts­ordnung ändern, die ich zu erhalten beauftragt bin.
Die Justiz ist dazu da, die bestehenden Ungerechtigkeiten zu sanktionieren. Hat
man je erlebt, dass sie sich gegen Eroberer gewendet oder neuen Machthabern im
Wege gestanden hätte? Wenn eine ungesetzliche Macht entsteht, braucht sie nur
von der Justiz an­er­kannt zu werden, schon ist sie gesetzlich. Die Form ist alles.
Nur ein dünnes Blatt gestempelten Papiers trennt Verbrechen und Unschuld (S.
49).
Anders als der Kupferstecher sieht die Sache ein bei
Crainquebilles Ver­handlung anwesender unbeteiligter Rechtsanwalt. Aber auch
seine Ein­schätzung ist für den Richter nicht vorteilhaft:
Ich glaube nicht, dass der Herr Vorsitzende Bourriche sich
zu einer so hohen Meta­physik aufgeschwungen hat. Ich glaube, er hat die
Aussage des Polizei­beamten 64 ganz einfach deshalb als den Ausdruck der
Wahrheit betrachtet, weil er es nie anders erlebt hat. In der Nachahmung müssen
wir den Grund für die meisten Handlungen der Menschen erblicken. Wer sich an
das Alther­ge­brachte hält, wird immer als ehrlicher Mann dastehen. Anständige
Leute nennen wir die, die sich so verhalten wie die anderen (S. 51).
Tatsächlich ist die Bequemlichkeit eine Gefahr für jeden
Berufsstand, nicht nur für die Richterschaft. Dennoch finden wir gerade in jüngerer
Zeit auch Beispiele, in denen Richterinnen und Richter in ihren Urteilen
aufzeigen, dass bestimmte gesetzliche Regelungen nicht mehr zeitgemäß sind oder
gesellschaftlichen Grundwerten widersprechen. Die Gerichte haben unter anderem
die Möglichkeit, Gesetze dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der
Verfassungskonformität vorzulegen. Fortschritte bei der Gleichstellung
gleichgeschlechtlicher Partner, Anstöße zur Abschaffung des Ehebruchs als
Straftatbestand oder zu einer gelasseneren Beurteilung des Cannabis­kon­sums
sind in Österreich immer wieder aus der Rechtsprechung ge­kommen.
Aber zurück zu Crainquebille: Gerade in diesem
Abschnitt der Erzäh­lung, der die Handlungsweise des Gerichts diskutiert, wird
die Anknüpfung an die Dreyfus-Affäre deutlich:
Nur ein paar Querköpfe wollen, dass sie [die Justiz]
menschlich und einfühlsam sei. Man übt sie nach festen Regeln aus und nicht mit
mitleidigem Schauer und erleuchteter Intelligenz. Vor allem verlangen sie nicht
von ihr, dass sie gerecht sei; das braucht sie nicht zu sein, weil sie die
Justiz ist, ja, ich sage ihnen, die Vor­stellung von einer gerechten Justiz
konnte nur in den Köpfen von Anar­chis­ten bestehen. (…) Der wahre Richter
wägt die Aussagen nach dem Ge­wicht der Waf­fen. Das haben wir im Fall
Crainquebille erlebt, aber auch in ande­ren, be­rühm­teren Fällen (S. 51).

Justiz und Polizei

Crainquebille wird zum Opfer eines Zusammenspiels von Polizei
und Justiz. Die bösartige Unterstellung des Polizeibeamten wird vom Richter
leicht­fertig, wohl wider besseres Wissen, zur Grundlage der Verurteilung von
Crain­que­bille gemacht. Auch der heutigen Justiz wird es immer wieder zum
Vorwurf gemacht, dass Amtspersonen, insbesondere Polizeiorganen, vor Ge­richt
mehr Glaubwürdigkeit zugestanden werde, als Bürgerinnen und Bürgern.
Tatsächlich verwenden Urteile in ihrer Beweiswürdigung immer wie­der das
Argument, es sei nicht anzunehmen, dass ein Amtsorgan – ge­rade bei nicht so
schwerwiegenden Angelegenheiten – durch eine falsche Aussage seinen Amtseid
breche oder sein Amt missbrauche. Diese Denk­figur erscheint unbedenklich dort,
wo Polizistinnen und Polizisten Zeugen (einer strafbaren Handlung) werden.
Sobald Beamtinnen und Beamte aber direkt in den Fall verwickelt sind, ist
Sensibilität angebracht. Wenn es etwa um behauptete Polizeiübergriffe geht,
kann sich eine lebensnahe Würdigung der Beweise nicht einfach auf die
Amtsstellung der Beamtinnen und Beam­ten stützen; der Antrieb, einer eigenen
Verurteilung zu entgehen, ist durch­aus menschlich und wird alle erdenkbaren
Verpflichtungen, die sich aus einer Amtsstellung ergeben, wohl aufheben. Das
Verhältnis von Justiz und Polizei sollte auch heute ein Thema sein: Dass in
Österreich Polizei­über­griffe allzuoft folgenlos bleiben, hat zuletzt ein
Sonderbericht des Men­schen­rechtsbeirats aufgezeigt.[8]
Im Übrigen spielt die Polizei
naturgemäß in jedem Strafverfahren eine gewichtige Rolle. In Österreich ist es
seit mehr als hundert Jahren Praxis, dass die Polizei die strafgerichtlichen
Ermittlungen weitgehend ohne Ein­wir­kungen der Justiz führt und das fertige
Ermittlungsergebnis der Staats­anwaltschaft oder dem Gericht übermittelt. Die
Entscheidung, welche Per­so­nen als Zeuginnen und Zeugen einvernommen, in
welchem Stadium Haus­durchsuchungen oder Beschlagnahmen durchgeführt werden,
lag bis­her weitgehend im Ermessen der Polizeibehörden. Mit dem ab 1. Jänner
2008 geltenden Strafprozessreformgesetz wird das strafrechtliche Vor­ver­fahren
erstmals verrechtlicht. Die Staatsanwaltschaft hat nun den Auftrag, die
strafrechtlichen Ermittlungen von Beginn an zu steuern. Überdies stehen alle
Grundrechtseingriffe unter der Kontrolle des Gerichts.

Welche Wahrheit?

Gerichte müssen, bevor sie eine Entscheidung treffen,
zuerst feststellen, was passiert ist. Diese Tatsachenfeststellung ist an sich
eine zweifelhafte Auf­gabe; was sind schon Tatsachen, und gibt es nur eine
Wahrheit oder gibt es nicht viele Wahrheiten über ein und dieselbe
Angelegenheit? Der Kupfer­stecher, der Crainquebilles Verhandlung verfolgt hat,
verwendet auch diese Problematik zur Verteidigung des Richters:
Sie werden zum Beispiel bemerkt haben, dass er die Aussagen
nicht nach den unsicheren und trügerischen Anzeigen der Glaubhaftigkeit und des
menschlich­en Wahrheitsbegriffs ordnet, sondern nach wesenhaften, unwandelbaren
und greifbaren Anzeichen. Er wägt sie nach dem Gewicht der Waffen. Was könnte
einfacher und zugleich weiser sein? Als unwiderleglich gilt ihm die Aussage
eines Polizeibeamten, den er ganz metaphysisch als den nummernhaften Aus­druck
für die Setzungen der idealen ordnenden Macht begreift. (…) In Wahrheit sieht
er gar nicht Bastien Matra vor sich, sondern den Polizeibeamten 64. (…) Wir
alle irren uns ständig. Gründe, uns zu irren, gibt es unzählige. Die Wahr­nehmungen
unserer Sinne und die Urteile unseres Verstandes sind lauter Ur­sachen für
Einbildungen und Anlässe für Ungewissheiten (S. 43-45).
Die Schwierigkeit, die Beweise zu würdigen, ist richtig
erkannt – der Schluss, es sei einfacher und weiser, ganz einfach Amtspersonen
zu glau­ben, freilich zynisch, und eine Folgerung, die den Rechtsstaat aus den
An­geln hebt. Die Lösung kann nur in einem möglichst gewissenhaften Vor­gehen
der Gerichte bestehen, in einer sorgfältigen Sammlung und Sichtung der zur
Verfügung stehenden Beweismittel. Denn die Gerichte müssen entscheiden. Es
fehlt ihnen die Möglichkeit, allzu diffizile Akten ins Feuer zu werfen, wie es
eine von Anatole France in Crainquebille
referierte Anekdote über die Schwierigkeit der Wahrheitsfindung nahelegt:
Als Sir Walter Raleigh im Tower zu London gefangen saß und
wie gewöhnlich an dem zweiten Teil seiner Weltgeschichte
schrieb, entspann sich einmal unter seinem Fenster eine Schlägerei. Er sah eine
Weile zu, und als er sich wieder an seine Arbeit setzte, war er überzeugt, die
Streitenden genau beobachtet zu ha­ben. Doch als er sich am Tag darauf über den
Vorfall mit einem Freund unter­hielt, der dabei zugegen und sogar daran
beteiligt gewesen war, widersprach ihm der Freund in allen Punkten. Da bedachte
er, wie schwierig es sei, die Wahr­heit über ferne Ereignisse herauszubringen,
wenn er sich schon bei dem getäuscht hatte, was sich unter seinen Augen zutrug,
und er warf das Manuskript seines Geschichtswerks ins Feuer (S. 41-43).

Crainquebilles Untergang nach der Haft

Anatole France widmet insgesamt drei von acht Abschnitten
der Erzählung den Folgen, die sich für den Gemüsehändler aus seiner
Gerichtsverhandlung und der kurzen zweiwöchigen Haftstrafe ergeben. Die
entsprechenden Über­schriften zu den Abschnitten 6 bis 8 lauten: „Crainquebille
und die öffent­liche Meinung“, „Die Folgen“ sowie „Die Spätfolgen“.
Die Frage der Folgen und Wirkungen
gerichtlicher Sanktionen haben bis heute Gültigkeit, durch die modernen Medien
sind sie noch brisanter geworden. Allein schon die Tatsache, dass gegen
jemanden Anklage er­ho­ben wird, oder er für einige Tage in Untersuchungshaft
gerät, kann für den Betroffenen existenzielle Folgen haben. Es kann damit der
Verlust des Ar­beitsplatzes verbunden sein, jedenfalls aber eine Einbuße an
Ansehen. Ein späterer Freispruch gleicht in den meisten Fällen das entstandene
Unheil nicht mehr aus. Ein aus­gewo­ge­nes Medienrecht und eine sensible Vor­gangs­weise
der Justiz schaffen etwas Abhilfe.
Für den Gemüsehändler
Crainquebille führt die kurze zweiwöchige Haftstrafe letztlich zur
Existenzvernichtung. Die zu Unrecht erfolgte Ver­urteilung beschädigt das
Vertrauen seiner Kunden, Crainquebille ist wirt­schaftlich vernichtet, er sinkt
ab in Alkohol und noch tieferes Elend, als er es ohnedies sein Leben lang
erfahren hat. Wenn wir von Justizirrtümern wie jenem im Fall Crainquebille
einmal absehen, so ist doch die Ver­hän­gung einer angemessenen Sanktion für
ein strafbares Verhalten eine wesent­liche Frage jedes Rechtssystems. Die
vordringlichen Aufgaben des Straf­rechts sind nach heute herrschendem Verständnis
die Resozialisierung des Täters, die Schadensgutmachung und der angemessene
Umgang mit dem Opfer und nicht, wie früher, der Rachegedanke oder gar die
wirtschaftliche oder sons­tige Vernichtung des Täters. Kurze Freiheits­strafen,
wie sie über Crainque­bille verhängt wurden, sind schon lange als besonders ungünstige
Strafform erkannt worden. Sie reißen, und das zeigt Crainquebille sehr gut, den Be­trof­fenen aus seinem
Arbeitsprozess, mit allen schwerwiegenden Folgen, ohne irgendetwas zum
Positiven hin verändern zu können. Bereits 1975 war es bei der großen
Strafrechtsreform in Österreich eines der vordringlichen Ziele, die kurzen
Gefängnisstrafen durch andere Sanktions­formen wie Geldstrafen zurückzudrängen.
Das ist damals gelungen, in den folgenden Jahrzehnten bis heute ist der Anteil
der kurzen Gefängnisstrafen aber wiede­rum gleich geblieben, trotz aller Versuche,
diese Sanktionsform weiter zu­rück­zu­drängen. Noch immer sind zwei Drittel
aller verhängten Gefängnis­strafen solche mit einer Dauer von unter sechs Monaten.
Eine solche Zeit ist zu kurz, um während der Haft auf den Täter durch Therapien
oder auf an­de­re Weise resozialisierend einzuwirken, Arbeits­umgebung und pri­va­te
Be­zieh­ungen des Verurteilten werden aber nach­hal­tig und langfristig ge­­stört.
Es ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber nach Ein­führung der so ge­nannten
Diversion (Tatausgleich usw) vor einigen Jah­ren auch in Zukunft Schritte
unternehmen wird, um kurze Gefängnis­strafen zu­rück­zudrängen, und ande­re,
konstruktivere Sank­tions­formen zu fördern.

Traurige Staatsmacht

Traurig und hoffnungslos zeichnet der Autor nicht nur die
Situation Crain­quebilles als Justizopfer. Auch die Staatsmacht als Täterin
steht traurig vor der Leserschaft, und France lässt auch ihr etwas Mitgefühl zuteil
werden.
Am Ende der Erzählung versucht
Crainquebille, dem Elend zu ent­kom­men, indem er einen Polizisten beleidigt,
um wieder ins Gefängnis zu ge­langen. Er spricht nun einen Polizisten mit genau
jenem Schimpfwort an, das ihm in der Verhandlung unterstellt wurde. Obwohl er
das Schimpfwort mehrfach ruft, scheitert er wieder am Staat. Der Polizist, an
den er diesmal ge­rät, reagiert nicht. Er steht unter einer Laterne, seine
Erscheinung wird wie folgt beschrieben:
Seine Unbeweglichkeit hatte etwas Übermenschliches; das
Spiegelbild seiner Stiefel auf dem nassen Bürgersteig, der wie ein See aussah,
verlängerte ihn nach unten und ließ ihn von Ferne wie ein amphibisches Ungeheuer
erscheinen, das halb aus dem Wasser ragte. Aus der Nähe hatte er mit seinem
Kapuzenmantel und seiner Waffe zugleich etwas Mönchisches und etwas
Soldatisches. Seine der­ben Gesichtszüge, die durch den Schatten der Kapuze
noch vergröbert wur­den, nahmen sich friedlich und traurig aus (S. 75).
Anatole France beschreibt damit wohl das Frankreich
während der Dreyfus-Affäre, wie er es erlebt hat: Kraftlos, unbarmherzig,
gleichzeitig traurig und schicksalhaft verwoben mit religiösen und soldatischen
Kräften.
Anatole France wurde sowohl von
seiner Zeit als auch von der Nachwelt sehr oft als „mitfühlender Humanist“
beschrieben und als solcher geachtet. Dieser Einschätzung wird er mit der Erzählung
von Crainquebille gerecht. Mit viel Einfühlungsvermögen zeichnet er das
Schicksal des Gemüse­händ­lers, der zum Justizopfer wird: eine Erzählung und
ein Autor, die eine Wie­der­entdeckung wert sind.

Literatur

Depenheuer, Otto (Hrsg). 2005. Recht und Lüge. Münster: LIT Verlag.
France, Anatole. 1984. Crainquebille, Les
Juges intègres
. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Thomas
Baldischwieler.
Stuttgart: Philipp Reclam jun.
France, Anatole. 1959. Die Götter dürsten. Nürnberg: Verlag
Hans Carl.
France, Anatole. 1965. Die Schuld des Professors Bonnard. München: Wilhelm Gold­mann
Verlag.
France, Anatole. 1977. L’Affaire Crainquebille – Der Fall
Crainquebille.
München: Dtv zweisprachig.
Kraus, Karl. 1987. Sittlichkeit
und Kriminalität.
Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Lajta, Esther Maria. 1995. Die Rezeption von Anatole France (1844-1924) im deutschen Sprachraum
bis zu seinem Tod 1924.
Universität Wien: Diplomarbeit.
Menschenrechtsbeirat im Bundesministerium für Inneres
(Hg). 2007. Die Polizei als Täter? Eine
Analyse des Umgangs staatlicher Institutionen mit Miss­hand­lungs­vorwürfen.
Schriftenreihe Menschenrechtsbeirat – Band 3.
Wien: Neuer
Wissenschaftlicher Verlag.


[1]     Der Name dürfte nun gesichert sein; sehr lange
wurde
Anatole François Thibault als korrekter
bürgerlicher Name des Schriftstellers gehandelt (vgl Lajta, 7).
[2]   Zitiert nach Lajta,
93.
[3]     Neue Freie Presse vom
14.10.1924, zitiert nach Lajta, 3, FN 3.
[4]     Die Seitenangaben der
Zitate folgen der Ausgabe: Anatole France. 1977. Der Fall Crainquebille. München: Deutscher
Taschenbuchverlag.
[5]     Der Autor dieses Beitrags konnte
diese Aufführung in Paris sehen. In Österreich verfügt die Bibliothek des Österreichischen
Filmmuseums über eine Kopie des Films, die man vor Ort ansehen kann – ich danke
Silvia Thaller an dieser Stelle für das Aufspüren des Films in Wien.
[6]     Nachwort in: Anatole France, Crainquebille, Reclam, S. 69.
[7]     Man denke nur an den Fall des früheren
österreichischen Bundeskanzlers Sinowatz, der 1989 – als Folge der
Waldheim-Affäre – in einem Strafverfahren zu einer Geldstrafe ver­urteilt
wurde; dies auf Grund der Aussage einer einzigen Zeugin, die im Widerspruch zu
den Angaben vieler anderer Zeugen und der Verantwortung von Sinowatz stand (vgl
http://de.wikipedia.org/wiki/Fred_Sinowatz,
Stand: 24.6.2007).
[8]     Menschenrechtsbeirat im
Bundesministerium für Inneres (Hg). 2007. Die
Polizei als Täter?
Wien: Neuer Wissenschaftlicher Verlag.

Wie Fabio Fazio Sanremo moderiert

Seit 1951 wird der Musikcontest Festival della canzone italiana im ligurischen Sanremo ausgetragen. Das Festival ist Fixpunkt im  italienischen Jahreslauf, es wird begangen wie Weihnachten, Silvester, Ostern. Die Auswahl von Moderator, Sängern, Liedern, alles wird breit diskutiert. Jedes Jahr im Februar bestimmt das dem Eurovisionssongcontest vergleichbare Festival die Medien. Das Festival selbst dauert eine Woche lang und hat seine Heimat im legendären Teatro Ariston von Sanremo. Sanremo, bekannt für Casino und seine Blumenproduktion, hat dann eine Woche lang etwas vom früheren Glanz zurück.

Das eben zu Ende gegangene diesjährige Festival wurde zum zweiten Mal in Folge von Fabio Fazio moderiert, einem der wohl ungewöhnlichsten europäischen Fernsehstars. Fazio agiert wie aus einer vergangenen Zeit, und dennoch erfreut er sich der Liebe des Massenpublikums. Seine Moderation lässt die in Italien regelrecht durchgeknallte oberflächliche Fernsehkultur für ein paar Tage vergessen. Fazio zelebriert das Festival langsam. Da beginnt einer der Abende mit einer 20- minütigen Hommage an den kürzlich verstorbenen Claudio Abbado, da werden von Fazio und Gästen Gedichte verlesen und Fazio erinnert an verstorbene italienische Musiker. Am ersten Abend stören Aktivisten die Eröffnung, sie machen auf das Elend von Fabriksarbeitern in Süditalien aufmerksam. Seit 16 Monaten arbeiten mehrere hundert Arbeiter einer Fabrik, ohne Löhne zu erhalten. Alle Appelle an Medien und Politik haben nichts geholfen, drei Familienväter haben sich bisher das Leben genommen. Fazio redet in der Livesendung ruhig auf die Arbeiter ein, er nimmt sich Zeit, verliest die Protestbotschaft auf der Bühne, nicht ohne Empathie.
Buonismo, Gutmenschentum, haben Medien Fazio dieses Jahr vorgeworfen, außerdem sinkende Quoten am zweiten Abend und ein Zuviel an Nostalgie. Den Blick zurück in die italienische Musikgeschichte könne man sein lassen, meinte Fazio, aber erst dann, wenn man auch die Kunstwerke italienischer Maler in den Kirchen und Museen nicht mehr beachte. Andere Medien würdigten Fazios Stil; er habe eine Vintage-Seele, schrieb eine Zeitung. Der Programmdirektor der RAI steht zu Fazio: für den Qualitätsgewinn nehme er einen Rückgang der Quoten gern in Kauf.
Waren den Moderatoren früherer Jahre oft dümmliche Models zur Seite gestellt, so moderierte Fazio wie so oft bei seinen Sendungen gemeinsam mit der Schauspielerin und Komikerin Luciana Littizzetto. Die beiden sind ein eingespieltes Team, das regelmäßig freche politische Bemerkungen fallen lässt. Fabio Fazio steht nach langen Jahren im Fernsehen immer noch wie am ersten Tag vor der Kamera: bei aller Professionalität ist da noch das staunende Kind am Schirm, immer verschmitzt und von einer unzeitgemäßen Schüchternheit. Der Fernsehmoderator Fazio ist in diesem Sinne ein Gefährte Fellinis und Benignis, ein Melancholiker und Träumer, und doch am Puls der Zeit; ein Glücksfall für Publikum und Sender. Über die Siegerin des diesjährigen Festivals wird er sich wohl gefreut haben: die immer unbeholfen wirkende Arisa (sie hatte in Sanremo bereits 2009 den Newcomerpreis mit dem zauberhaften Titel Sincerità gewonnen) könnte eigens von Fazio erfunden worden sein. 
 

Fabio Fazio und Luciana Littizzetto 2014 in Sanremo; Foto: Ansa

Die Suche nach der Lucona – Personalauswahl und Ausbildung in der Justiz


Text erschienen in der Fachzeitschrift juridikum4/2013

Thema:
Jurist_innen

 

Die
Suche nach der Lucona – Personalauswahl und Ausbildung in der Justiz

 

Oliver Scheiber

 

„Die großen Zweifler an der Wissenschaft und dem Werte des Rechts, ein
Tolstoi, ein Daumier, ein Anatole France, sind für den werdenden Juristen
unschätzbare Mahner zur Selbstbesinnung. Denn ein guter Jurist kann nur der
werden, der mit schlechtem Gewissen Jurist ist.“

Gustav Radbruch[1]

 

1.
Einleitung

 

Wien, im Jahr 1990: Einer der
spektakulärsten Mordprozesse der österreichischen Geschichte beginnt. Die
Staatsanwaltschaft Wien wirft dem Demel-Chef und Szeneliebling Udo Proksch vor,
1977 den unter der Flagge Panamas fahrenden Frachter Lucona gechartert, offiziell mit teuren technischen Anlagen,
tatsächlich aber mit wertlosem Schrott auf die lange Seereise von Italien nach
Hongkong geschickt und zum Zwecke eines Versicherungsbetrugs unweit der
Malediven während der Fahrt gesprengt zu haben. Sechs Menschen verloren durch
die Explosion ihr Leben. Die Mordanklage stützt sich auf Indizien, denn das
gesunkene Wrack wurde nicht gefunden.

 

Das Schiff war vor Beginn der
Hauptverhandlung aber auch nie gesucht worden. Der Vorsitzende Richter des
Proksch-Prozesses, Hans-Christian Leiningen-Westerburg, beschließt, nach den ersten
Verhandlungswochen, die Lucona zu
suchen. Ein Knalleffekt, denn große Teile der Politik stehen noch immer hinter
Proksch. Gemeinsam mit vier Sachverständigen reist Leiningen im Januar 1991 auf
die Malediven und beauftragt eine amerikanische Bergungsfirma mit der Suche
nach der Lucona. Am letzten Tag der dreiwöchigen Suche wird das Wrack gefunden,
ziemlich genau an der von den überlebenden Zeugen angegebenen Position. Die
Lucona liegt 4197 Meter tief unter Wasser. Die nähere Untersuchung ergibt: Sie
wurde von innen gesprengt. Richter Leiningen reist zurück nach Wien und setzt
die Hauptverhandlung fort. Am Ende des Verfahrens steht für Proksch die
Verurteilung zu lebenslanger Haft. Die Minister Gratz und Blecha, die bis
zuletzt ihre schützende Hand über Proksch gehalten haben, stürzen.

 

Modica, Sizilien, im Jahr 2012:
An der Südküste Italiens werden nahezu täglich Boote mit Flüchtlingen aus
Afrika an Land gespült. Die FamilienrichterInnen des nahegelegenen Gerichts in
Modica bestellen für jeden ankommenden jugendlichen Flüchtling, binnen Stunden
einen Vormund, zumeist aus der AnwältInnenschaft. Sie halten in den Tagen
darauf Kontakt mit den AnwältInnen, überzeugen sich, dass die Jugendlichen
anständig untergebracht und notwendige Asyl- oder Aufenthaltsverfahren
eingeleitet werden. Ähnlich verstehen die JugendstrafrichterInnen im nahen
Catania ihren Beruf: Sie begleiten jugendliche StraftäterInnen, die sie
verurteilen, bis zu ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Sie besuchen
die Jugendlichen im Gefängnis und besprechen in den Wochen vor der Entlassung
mit ihnen, wie es draußen weitergehen soll und welche Unterstützungsangebote
existieren.

 

Die Empathiefähigkeit der
sizilianischen JugendrichterInnen, die Kreativität, Courage und gelebte
Unabhängigkeit eines Hans-Christian Leiningen-Westerburg verleihen einem
Rechtsprechungssystem ein starkes Rückgrat. Sie sorgen für eine sensible
Rechtsanwendung ohne Unterschied der Person. Hätte Leiningen in Wien nach
Schema F verhandelt, ohne das Schiff suchen zu lassen, das Verfahren hätte wohl
mit einem Freispruch geendet. Aber: Empathiefähigkeit, Kreativität, Courage –
sind das tatsächlich Fähigkeiten, die die Justiz bei der Personalauswahl
positiv würdigt?

Zu Österreichs RichterInnen liegt wenig Datenmaterial vor. Die
letzte Studie zu Herkunft und Sozialisation der österreichischen RichterInnen
liegt mehr als zehn Jahre zurück
.[2]
Sie ergab ein sehr uniformes Bild der Richter
Innenschaft, rund 50 % der RichterInnen stammten im Jahr 1999 aus Beamtenfamilien. Auch heute noch findet
sich ein unverhältnismäßig hoher Anteil von RichterInnen, die zumindest einen
Elternteil aus demselben Berufsstand haben. Die Richter
Innenschaft rekrutiert sich in Österreich im Wesentlichen
aus der gehobenen Mittelschicht; die Lebensläufe sind meist ähnlich:
Mittelschule, Studium
und daran
anschließend der
Eintritt in den Justizdienst. Das Auswahlverfahren für die künftigen RichterInnen der ordentlichen
Gerichtsbarkeit und für StaatsanwältInnen sowie deren Grundausbildung[3]
erledigen i
n Österreich die vier
Oberlandesgerichte in Wien, Linz, Graz und Innsbruck.
Im Auswahlverfahren fehlen Transparenz und nachvollziehbare Regeln; so
existiert auch kein in anderer
en Bereichen des öffentlichen
Diensts
oder in großen
privaten Unternehmen selbstverständliche
s
Diversity
-Konzept.[4] Vielfach sind die Landesgerichte für eine
Vorauswahl im Verfahren zur Findung des richterlichen Nachwuchses zuständig;
mangels gemeinsamer Kriterien gehen sie dabei unterschiedlich vor. Das Gesetz
bestimmt, dass die RichteramtsanwärterInnen
jeweils für einige Monate verschiedenen Justizdienststellen, aber etwa auch
Opfereinrichtungen oder privaten Unternehmen zugeteilt werden.
Der Schwerpunkt der Ausbildung liegt also beim training on the job. Bezüglich der ebenfalls vorgeschriebenen
Übungskurse bleibt das Gesetz vage. Die Modelle der vier Oberlandesgerichte
sind sich darin ähnlich, dass vor allem das bereits an den juridischen
Fakultäten Gelehrte vertieft wird. Der klare Schwerpunkt der Übungskurse liegt
bei
materiellem und formellem Recht.
Überwiegend wird
in kurzen Lerneinheiten gearbeitet (Blöcke von maximal 90 Minuten). Es dominiert
immer noch der
Frontalvortrag gegenüber
dialogische
m Lernen und einem
Diskurs.
Der Schärfung der im Gesetz erwähnten
sozialen Fähigkeiten wird wenig Augenmerk geschenkt. Auch vergessen Gesetz und
Praxis, dass Richter
Innen und StaatsanwältInnen je nach Arbeitsbereich auf Grundkenntnisse
benachbarter Disziplinen angewiesen sind. Strafrichter
Innen
wie StaatsanwältInnen kommen schlecht ohne Wissen über
das

Wesen von Traumatisierungen
, psychischen
Erkrankungen
und Sucht aus. Für FamilienrichterInnen
ist die Kenntnis der
Grundbegriffe der Kinderpsychologie
hilfreich.
Kurz gefasst ist das Ausbildungssystem der Justiz dadurch
gekennzeichnet, dass das traditionelle Lehrsystem den heutigen Bedürfnissen
nur unzureichend angepasst wurde, interdisziplinäre
Arbeit zu kurz kommt und
ein
didaktisches Konzept
nicht vorhanden ist.
Für die Lehrenden sind keine Mindeststandards definiert, es fehlt an einem
Qualitätssicherungsmodell für die Ausbildung (für die Fortbildung gilt
Ähnliches). Dabei sind die
Anforderungen an die Ausbildung höher denn je; denn die
Rahmenbedingungen für richterliches Handeln haben sich radikal
verändert.
2. Geändertes Berufsbild und neue
Herausforderungen
Noch zu Zeiten des Lucona-Verfahrens mussten alle Parteien und ZeugInnen
in einem österreichischen Gerichtsverfahren während ihrer Einvernahme stehen,
mitunter stundenlang, ohne adäquate Möglichkeit, mitgebrachte Unterlagen vor
sich abzulegen.
Heute sitzen alle Befragten während ihrer Einvernahme.
Der RichterInnentisch ist nicht mehr oder nur geringfügig erhöht. Helles hat
dunkles Holz in den Verhandlungssälen abgelöst. All diese Veränderungen
symbolisieren, was (noch) nicht ausgesprochen wird: ein Gebot zur Kommunikation
auf Augenhöhe zwischen Gericht, AnwältInnen und BürgerInnen.
In das Verfahrensrecht haben Institute wie Mediation,
Tatausgleich, Kronzeugenmodelle und Gerichtshilfe Einzug gehalten, die vor
allem die Richter
Innen vor
neue Herausforderungen stellen. Sehr viel mehr als früher geht es heute in
jedem einzelnen Gerichtsverfahren darum, den gestörten Rechtsfrieden dauerhaft
wiederherzustellen, Probleme bei der Wurzel zu packen und schwache
Personengruppen, etwa Kinder im Fall von Gewalt in der Familie, geeignet zu
schützen. Die Palette der Maßnahmen, die Gerichte heute anwenden, ist
enorm breit geworden. Der Moderation und Leitung eines
gerichtlichen Verfahrens kommt gestiegene, ja zentrale Bedeutung dafür zu, ob
die gerichtliche Intervention von den Verfahrensbeteiligten als positiv oder
negativ gewertet wird.
Es
geht
also darum, dass RichterInnen
und Staatsanwält
Innen menschengerecht agieren; eine ihrer
zentralen Fähigkeiten muss jene zum Zuhören sein.
Die traditionsreiche französische RichterInnenakademie
Ecole Nationale
de la
Magistrature (ENM)[5] etwa bekennt sich zu einem neuen Humanismus, dem die moderne
Justiz verpflichtet sei.
Justizakademien
jüngerer Demokratien wie etwa jene Rumäniens folgen einem
ähnlichen Ansatz.
[6]
Durch die neue Berufswirklichkeit hat die Persönlichkeitsbildung
der Richter
Innen gegenüber den juristisch-technischen
Fähigkeiten an Bedeutung gewonnen.
Ein Treffen von
Fortbildungsverantwortlichen der Justiz auf EU-Ebene[7]
hat vor kurzem gezeigt, dass quer durch Europa die Notwendigkeit zu Umbrüchen
in der RichterInnenausbildung gesehen wird: Es besteht große Übereinstimmung
dahingehend, dass in der Grundausbildung den nicht-juristischen Inhalten
zumindest gleich viel Bedeutung und Raum zuzumessen ist wie der Lehre von
materiellem Recht und Verfahrensregeln. Im Übrigen wird allgemein das
Erfordernis einer mehrjährigen Berufspraxis außerhalb der Justiz als
zukunftsweisend empfunden.
3.
Qualitäts(un)sicherheit
Die Aufgaben
von RichterInnen,
Streitigkeiten
zu regeln und über sie zu entscheiden, sowie den
Rechtsfrieden
zu bewahren, sind für jede Gesellschaft zentral. Die Entwicklung der
Rechtsprechung in Arbeits- und Sozialrechtssachen, in Asylsachen,
oder in mietrechtlichen Angelegenheiten, über Fragen der Bewilligung von Bewährungshilfe oder Therapien für StraftäterInnen oder zum Umgang mit
Opfern von Straftaten
bestimmen die Gesellschaft
wesentlich mit. Ein richterliches Rollenbild, das diese Aufgaben im Auge hat,
fehlt in Österreich – so wie in den meisten europäischen Staaten. Das überrascht:
G
roße
Betriebe, ob öffentlich oder privat, formulieren
in der Regel eine
Zielsetzung und gemeinsame Idee
; mit positiver Wirkung  auf
die Mitarbeiter
Innenmotivation
und die Flexibilität des Systems. Die Justiz
liest ihre
Aufgabe aus
Verfassung und gesellschaftlicher Grundordnung ab, verzichtet aber auf die Formulierung eines konkreten,
detaillierte
n (Unternehmens)ziels. Auch
verraten w
eder Gesetz noch Verordnungen,
welches Bild der Gesetzgeber von RichterInnen und StaatsanwältInnen vor
Augen hat.[8] Die fehlende Formulierung
von Unternehmensziel und Rollen
bild
erschwert
zum einen eine transparente Personalauswahl, und liefert zum anderen die Erklärung, warum jedes Aus- und Fortbildungssystem
vage
bleiben muss.[9] Einen anderen Weg haben Frankreich
und das in der RichterInnenausbildung fortschrittliche Rumänien gewählt. Die
ENM hat dreizehn F
ähigkeiten definiert, die RichterInnen und StaatsanwältInnen benötigen und
die in der Ausbildung geschärft werden sollen. Ein Schwerpunkt liegt auf
sozialen und kommunikativen Fähigkeiten.
[10]
4.
Steuerung
Die österreichische Justiz ist im
internationalen Vergleich hoch entwickelt.[11]
Wo Defizite bestehen, gehen diese meistens auf einen Mangel an
zentraler
Steuerung
zurück. Auf den Personalsektor trifft dies in besonderem Maße zu. Ein paar Jahre lang fehlt es an StaatsanwältInnen, dann
wieder
an FamilienrichterInnen.
Für die Zukunft gilt es, durch ein
Mehr an Analyse und Steuerung den mutmaßlichen Personalbedarf in den einzelnen
Sparten
besser zu planen
und bei der Auswahl unter den Bewerber
Innen
mehr auf die spezifische Qualifikation zu achten. So lässt die Zusatzqualifikation
[F1] Wirtschaftsstudium
erwarten, dass sich die unter diesem Aspekt ausgewählten Personen für eine
Tätigkeit im
Unternehmens- oder Wirtschaftsstrafrecht interessieren,
während für den Familienrechtsbereich eher Zusatzqualifikationen aus dem
Bereich Mediation, Psychologie oder Sozialarbeit
relevant sind.
Generell wären im Aufnahmeprozess und in der Grundausbildung
Qualitätsschübe vor allem durch die Gründung einer Justizakademie zu erzielen.
Österreich
verfügt – ähnlich wie Deutschland
und Finnland
als eines der letzten Länder in Europa über keine Richter
Innenakademie, in der eine zentrale,
moderne, postuniversitäre Spezialausbildung geboten werden kann. So wie in
Europa im Polizeibereich schon lange zentrale Sicherheitsakademien Standard
sind, so hat sich auch in den Justizsystemen eine Struktur mit zentralen
Justizschulen durchgesetzt
;[12] die französische und rumänische Akademie mit ihrer Leitfunktion wurden
bereits erwähnt
.[13]
Eine zentrale Justizakademie
böte
auch in Österreich die Möglichkeit eines transparenten, gleichen
Aufnahmeverfahrens für das gesamte Bundesgebiet und die Chance, die
Grundausbildung nach modernsten didaktischen Konzepten als
Postgraduate-Ausbildung auszugestalten. Interdisziplinäre Konzepte
ließen sich so ebenfalls besser umsetzen. Schließlich würden sich über eine neue Akademie die Berufe der
VerwaltungsrichterInnen und JustizrichterInnen zusammenführen lassen. Derzeit
können die RichterInnen der ordentlichen Gerichtsbarkeit in die
Verwaltungsgerichtsbarkeit wechseln, eine Bewerbung in die Gegenrichtung ist
aber nicht möglich. Die Durchlässigkeit der Berufsbilder wird am sinnvollsten
über die Harmonisierung der Aus- und Fortbildungssysteme gelingen können.
Eine
völlig neu gestaltete
RichterInnenausbildung
erscheint umso nötiger, als die rechtswissenschaftlichen Studien in Österreich
weitgehend einen rein rechtsdogmatisch-normativen Ansatz verfolgen. Max Haller[14]
ist darin zuzustimmen, dass die
Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
einerseits, Recht und Verfassung
andererseits stärker ins Bewusstsein aller Rechtsberufe treten müsste.
Eine Akademie könnte diese Aufgabe übernehmen und, angelehnt an das
Vorbild der französischen ENM, ein Berufsprofil für RichterInnen und
StaatsanwältInnen entwickeln und die Personalauswahl
und Ausbildung daran ausrichten. Der europäischen Entwicklung Rechnung tragend
müsste eine Akademie einen Schwerpunkt auf soziale und kommunikative
Fähigkeiten
legen. Tatsächlich sind Kommunikation und Sprache
Schlüsselbegriffe für den Zugang zum Recht und damit für eine moderne Justiz.
Dies
findet in der
Aus- und Fortbildung der
Justiz
bereits jetzt da und dort Niederschlag.
Der nötige Paradigmenwechsel, der auch die Universitäten einschließt, steht
aber noch aus. Jurist
Innen
werden nach wie vor zur Unverständlichkeit erzogen. Auch gut gebildete Menschen
können vielfach weder den Verlauf einer
Gerichtsverhandlung
richtig deuten noch den Sinn gerichtlicher Entscheidungen erfassen; oft ist für
Laien nicht erkennbar, wer denn nun Recht bekommen hat.
Dabei ließen sich schon durch einfache Umstellungen, Verbesserungen erzielen: Die Verwendung des Familiennamens macht
einen Text
etwa leichter
verständlich als die
Verwendung von
abstrakten
Bezeichnungen wie
„Kläger
“ oder gar
Gegner der gefährdeten Partei“. Urteile wie
auch Internetseiten und Presseaussendungen von Höchstgerichten bieten positive
Beispiele einer neuen Sprache. Die Texte des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte etwa zeichnen sich zumeist durch eine hohe Verständlichkeit
aus.
Das soziale und kommunikative Verhalten der Justizorgane bedarf aber auch
einer laufenden Evaluierung im Justizalltag:
Während
die Überprüfung der Qualität der Entscheidungen durch Rechtsmittel erfolgt
und die Verfahrensdauer mittels EDV penibel beobachtet wird,
unterlieg
en interaktive Kompetenzen der RichterInnen
und
StaatsanwältInnen, Höflichkeit und Pünktlichkeit
keiner systematischen Überprüfung. Die Zukunft gehört daher einem breit
angelegten Qualitätssicherungssystem, für das sich Vorbilder vor allem im
Gesundheits- und Universitätswesen finden
und das auch
mit KundInnenbefragungen arbeitet
.
5. Zum Schluss
So wie in vielen Feldern liegt auch für die Justiz die Zukunft in
Europa. Die nationalen europäischen Justizsysteme haben lange abgeschottet
voneinander vor sich hingearbeitet; Gerichtsentscheidungen anderer Staaten
wurden skeptisch beäugt. In den letzten Jahren hat die Annäherung und
Harmonisierung nicht nur das materielle Recht, sondern auch die richterliche
Aus- und Fortbildung voll erfasst. Ein- und zweiwöchige Austauschaufenthalte
von RichterInnen und StaatsanwältInnen innerhalb Europas sind zu einer
Erfolgsgeschichte geworden wie einst die ersten Austauschprogramme für
Studierende.[15]
Der Europarat wiederum bemüht sich um die Harmonisierung der Grundrechtsschulung
der europäischen RichterInnen, StaatsanwältInnen und RechtsanwältInnen.[16]
Innerhalb der EU gibt es erste Tendenzen, gesamteuropäische Konzepte für die
richterliche Grundausbildung zu entwickeln. Diskutiert wird die Ausarbeitung
von Standards für die nicht-juristischen Teile der richterlichen
Grundausbildung: etwa zur
Vermittlung von Kenntnissen für das Management von Großverfahren, für
den Umgang mit Medien, von Grundkenntnissen anderer bei Gericht häufig
benötigter Disziplinen; zudem geht es um berufsethische Fragen,
Sprachkenntnisse und um eine Vertiefung des Europarechts.[17]
Wie richterliche Ausbildung in Österreich in
Zukunft aussehen könnte, zeigen zwei kürzlich eingerichtete Ausbildungsmodule
für RichteramtsanwärterInnen. Beide Module werden bundesweit ausgeschrieben und
bilden schon dahingehend Ausnahmefälle in einem sonst regionalen
Ausbildungsangebot. Ein insgesamt sechstägiges Seminar zur Justizgeschichte
beleuchtet die Entwicklung des Rechtssystems der letzten 150 Jahre. Ein Schwerpunkt
liegt dabei auf der Zeit des Nationalsozialismus und seiner Aufarbeitung. Die
Kontinuität von RichterInnenkarrieren wird genauso diskutiert, wie die
verschiedenen Modelle von Transitional Justice. In das Seminar integriert sind
der Besuch von Gedenkstätten (der ehemaligen Euthanasieklinik Am Spiegelgrund in Wien bzw des
Vernichtungslagers Mauthausen) sowie ZeitzeugInnengespräche. Im jüngsten Modul
des Seminars wurden die Lebensgeschichten des NS-Verbrechers Heinrich Gross und
seines Opfers Friedrich Zawrel anhand des Besuchs der Gedenkstätte Am Spiegelgrund, durch ein ZeitzeugInnengespräch
mit Friedrich Zawrel sowie einen Besuch des Theaterstücks „F. Zawrel –
Erbbiologisch und sozial minderwertig“ bearbeitet. Der Schauspieler Nikolaus
Habjan, der 2013 für die Produktion mit dem Nestroy-Preis ausgezeichnet worden
war, war auch im Seminar anwesend. Das Seminar wurde interdisziplinär
(juristisch-geschichtswissenschaftlich) konzipiert und vom Justizministerium
organisiert. Die Evaluierung ergab eine sehr hohe Akzeptanz bei den
RichteramtsanwärterInnen. Es gelingt damit, einen Raum für eine offene,
kritische Auseinandersetzung mit dem künftigen Beruf zu schaffen. Ähnliches
gilt für ein Grundrechtecurriculum, das die Fachgruppe Grundrechte der
Österreichischen RichterInnenvereinigung organisiert und das ebenfalls rund
sechs Tage dauert. Das Seminar ist zweigeteilt. Ein Block findet in Österreich
statt, ein zweiter Teil in Straßburg, wo Verhandlungen des EGMR besucht werden
und Diskussionen mit RichterInnen des EGMR stattfinden.
Diese neuen Ansätze zeigen, dass ein von Dialog, Diskurs und Kommunikation
auf Augenhöhe angelegtes RichterInnenbild von der jungen Generation als
selbstverständlich angenommen wird. Auf breite Basis gestellt haben diese
Initiativen das Potenzial, eine neue Kultur in den Gerichten und
Staatsanwaltschaften zu entwickeln. Von der Masse der Richterinnen und Richter
erwartet niemand HeldInnentum. Zu Bestimmtheit, Empathie und Zugewandtheit zum
Menschen verpflichtet die richterliche Unabhängigkeit allemal.

Dr.  Oliver 
Scheiber  ist  Richter  in  Wien  und 
Lehrbeauftragter an der Universität Wien; er ist auch in der richterlichen Aus-
und Fortbildung tätig; oliver.scheiber@justiz.gv.at



[1]  Radbruch in Schmidt (Hrsg), Eine Feuerbach-Gedenkrede sowie drei Aufsätze aus
dem wissenschaftlichen Nachlaß (1952) 24.
[2] Haller, RichterInnen in Österreich,
juridikum 4/
2002, 176; abrufbar unter: http://www.juridikum.at/fileadmin/user_upload/ausgaben/juridikum%204-2002.pdf (Stand:
1.11.2013).
[3] Die
Auswahl der RichterInnen der neuen Verwaltungsgerichte folgt anderen
Regelungen, eine RichterInnenausbildung ist bei den Verwaltungsgerichten nicht
vorgesehen.
[4] Die
ordentliche Justiz sperrt sich etwa nach wie vor gegen die Aufnahme blinder RichterInnen.
Anders das neue Bundesverwaltungsgericht: Mit Alexander Niederwimmer und
Gerhard Höllerer werden dort ab 1.1.2014 erstmals sehbehinderte Personen als
Richter
arbeiten.
[5] http://www.enm-justice.fr/ (Stand: 1.11.2013).
[6] Das Institutul
National al Magistraturii (INM) verfügt über ein inhaltlich und didaktisch
beachtliches Konzept der RichterInnenausbildung (
http://www.inm-lex.ro/index.php, Stand: 1.11.2013).
[7] TrainthetrainerSeminar des European Judicial Training Network (EJTN; Arbeitsplattform der EUJustizausbildungsstätten) am 22./23.10.2013 in Florenz (http://ejtn.net/en/About/Training-the-Trainers/; Stand: 1.11.2013).
[8] Ein
wichtiger Schritt erfolgte in Österreich durch die gesetzliche Erwähnung
sozialer Kompetenzen als Voraussetzung für das RichterInnenamt und als Ziel der
Grundausbildung durch die Dienstrechts-Novelle 2008, BGBl I 147/2008.
[9] Dazu
kommt,
dass für RichterInnen
und StaatsanwältInnen keine durchsetzbare Fortbildungsverpflichtung besteht.
Dies
verursacht Schwierigkeiten bei der Implementierung neuer
Materien, was in der Strafgerichtsbarkeit etwa bei der
Verbandsverantwortlichkeit, der Umsetzung der Strafprozessreform oder der
Vermögensabschöpfung gut zu beobachten ist
.
[10] Vgl http://www.enm-justice.fr/formation-initiale/accueil.php (Stand 28.10.2013): die ENM spricht von den Fähigkeiten 1. je nach
den Umständen mit  Autorität oder Demut
aufzutreten; 2. einen Sachverhalt oder ein Dossier zu analysieren und
zusammenzufassen; 3. Verfahrensregeln zu erkennen, anzuwenden und zu
garantieren; 4. berufsethische Regelungen festzumachen, sich anzueignen und in
der Praxis anzuwenden; 5. eine Entscheidung zu begründen, zu formalisieren und
zu erklären; 6. zu organisieren, zu leiten und innovativ zu wirken; 7. im
vorgesehenen nationalen oder internationalen Zusammenhang zu agieren; 8. eine
Entscheidung zu treffen, gegründet auf das Gesetz und nach Prüfung der Fakten,
die exekutierbar ist, geleitet von Hausverstand; 9. die Fähigkeit, eine Verhandlung
in Abstimmung mit dem Regelwerk vorzubereiten und zu leiten; 10. sich an
verschiedene Situationen anzupassen; 11. zuzuhören und mit anderen zu
interagieren; 12. Vergleichs- bzw Versöhnungsversuche zwischen den Parteien zu
moderieren; 13. im Team zu arbeiten.
[11] Vgl
etwa den jüngsten einschlägigen Bericht des Europarats: 4. Bericht zur
Bewertung europäischer Justizsysteme der 
Europäischen Kommission für die
Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) vom 20.9.2012 (
http://www.coe.int/t/dghl/cooperation/cepej/evaluation/2012/Rapport_en.pdf; Stand:
1.11.2013).
[12] Eine Übersicht
über die Europäischen Justizausbildungsstätten findet sich unter
http://www.ejtn.eu/About/EJTN-Affiliates/ (Stand:
1.11.2013).
[13] Zuletzt hat in
Italien im Jahr 2013 eine neue Akademie den Betrieb aufgenommen; die
Scuola Superiore della Magistratura ist in der Villa di Castel Pulci in
Scandicci bei Florenz untergebracht (
http://www.scuolamagistratura.it/; Stand:
1.11.2013).
[14] Haller, Zu enges Denken bei Juristen,
Die Presse vom 11.1.2010; online:
http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/532045/Zu-enges-Denken-bei-Juristen (Stand:
12.5.2013).
[15] Exchange Programme des EJTN, vgl. http://ejtn.net/en/Exchange-Programme/ (Stand:
1.11.2013).
[16] Im Wege eines eigenen Programms: HELP (European
Programme for Human Rights Education for Legal Professionals;
http://help.ppa.coe.int/ [Stand: 1.11.2013]).
[17] Referat
von Giovanna Ichino, 
Direktoriumsmitglied der Scuola Superiore della Magistratura, am
23.10.2013 im Rahmen des Train
thetrainerSeminar des European Judicial Training Network in Florenz (unveröffentlicht).