Strafverhandlungen an Bezirksgerichten haben selten Zuseher. Heute ist es anders. Zwei Rechtsanwälte aus Syrien, beide sind aus dem Krieg geflüchtet und haben in Österreich Asyl erhalten, möchten Österreichs Strafrechtspraxis kennenlernen und sich auf ihr Ergänzungsstudium in Österreich vorbereiten.
Der Angeklagte: ein Mann in den Vierzigern mit einer langen Drogenvorgeschichte und damit verbundenen Vorstrafen, die länger zurückliegen. Heute ist er angeklagt, versucht zu haben, Kopfhörer um 13 Euro zu stehlen. Der Versuch ist gescheitert, der Mann wurde ertappt. Der Angeklagte ist geständig, reumütig wie es so altertümlich heißt. Das Gerichtsverfahren endet mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe.
Nach der Verhandlung erkundigen sich die beiden Zuhörer, warum ein solcher Fall vor Gericht lande. Es gehe doch nur um 13 Euro. Wie das denn in Syrien aussehe, fragt der Richter. In Syrien habe die Polizei in solchen Fällen einen größeren eigenen Handlungsspielraum, berichten die beiden Zuhörer. Es sei in solchen Fällen üblich, dass die Polizeibeamten versuchen, mit dem Täter und dem Geschädigten vor Ort eine Lösung zu finden, die sofortige Schadensgutmachung und eine Aussöhnung herbeizuführen. Eine Befassung von Staatsanwaltschaft und Gericht sei in solchen Fällen geringfügiger Delinquenz eher die Ausnahme.
Wir haben oft nur ein vages Bild von den Herkunftsländer der nun in Europa angekommenen Flüchtlinge. Über das Betonen der europäischen Werte vergessen wir, dass Staaten wie Syrien vor dem Krieg in vielen Bereichen hochentwickelt waren. Es lohnt sich, sich über Vorurteile hinwegzusetzen und voneinander zu lernen.