Zu nötigen Reformen im Strafvollzug

Die Allianz gegen die Gleichgültigkeit, eine Gruppe von Juristinnen und Juristen, hat 2013 und 2014 mehrfach auf Missstände im Strafvollzug aufmerksam gemacht und Reformvorschläge unterbreitet. Aus Gesprächen war uns ExpertInnen klar, dass im Strafvollzug vieles im Argen liegt. In der Zwischenzeit wurden Vergewaltigungsfälle im Jugendstrafvollzug, massive Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen weibliche Häftlinge und erschreckende Bilder der Verwahrlosung aus der Justizanstalt Stein bekannt. Das Ausmaß der Verlotterung hat alle überrascht.

Justizminister Brandstetter hat (im Gegensatz etwa zu seiner Amtsvorgängerin)  auf die bekannt gewordenen Fälle mit klaren Worten reagiert und glaubwürdig eine Totalreform des Systems Strafvollzug eingefordert. Die aktuellen Berichte in der Zeitschrift FALTER zeigen, dass das System Widerstand gegen Reformen leistet. Dass bisher vor allem die AnzeigerInnen von Missständen mit unangenehmen Konsequenzen zu rechnen haben, ist ein Skandal, den vor allem auch die jeweilige unmittelbare Arbeitsumgebung zu verantworten hat.

Aus aktuellem Anlass ist daher festzuhalten:

– es muss ein Klima geschaffen werden, in dem es gewürdigt wird, wenn jemand Missstände aufzeigt. Beamtinnen und Beamten müssen besser über die Möglichkeiten von (anonymen) Anzeigen informiert werden. Sie müssen ermuntert werden, strafbare Handlungen und Grundrechtsverletzungen in ihrem Arbeitsumfeld anzuzeigen.
 
– Vorgesetzte und Ministerium sollten sich demonstrativ vor jene BeamtInnen stellen, die helfen, Missstände aufzuzeigen und abzustellen.
 
– Die jüngsten Medienberichte lassen vermuten, dass es eine erhebliche Dunkelziffer an Übergriffen gegen weibliche Strafgefangene gibt. Nachdem es sehr wenige weibliche Gefangene gibt, wäre ein leichtes, die in den letzten Jahren inhaftierten Frauen von weiblichen Polizeibeamten und StaatsanwältInnen zu allfälligen Übergriffen befragen zu lassen.
 
– Gefängnisinsassen haben einen sehr schwachen Rechtsschutz. Der Rechtsschutz muss dringend verbessert werden. Dafür gäbe es verschiendene Wege. Für wichtige Entscheidungen (Anhörung zur Frage der bedingten Entlassung) sollte die verpflichtende Beigebung eines Rechtsanwalts überlegt werden. Wichtige Anhörungen sollten videoaufgezeichnet werden. Wöchentliche Sprechstunden von RechtsanwältInnen in Justizanstalten könnten den Zugang der Häftlinge zu ihren Rechten erleichtern. Jeder Strafgefangene sollte zumindest ein bis zwei Mal jährlich ein längeres Gespräch mit einem Rechtsanwalt führen, für das wenn nötig Dolmetschung organisiert wird. Aktuell erfolgt die Verständigung im Strafvollzug überwiegend mit Hilfe anderer Gefangener. Missstände werden in einer solchen Struktur naturgemäß selten angezeigt.

– durch all diese Maßnahmen soll va auch die Mehrzahl der engagierten Beamtinnen und Beamten ermuntert werden.

 
– RichterInnen, StaatsanwältInnen und RechtsanwältInnen begleiten Straftäter in der Regel bis zur rechtskräftigen Verurteilung. Für den Strafvollzug fühlt sich keine dieser Berufsgruppen verantwortlich. Die Rechtsberufe sollten stärker in das System Strafvollzug eingebunden werden und in die Verantwortung dafür genommen werden.
 
– Der Staat hat eine Verpflichtung, die Grundrechte zu gewährleisten – auch und gerade gegenüber Menschen in Haft. Kann oder will der Staat die Grundrechte von Strafgefangenen nicht gewährleisten, so verliert er die Legitimation, Haft zu vollziehen. 
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