Manfred Maiwald, Einführung in das italienische Strafrecht und Strafprozessrecht – Rezension für das Journal für Strafrecht, Nr. 4/2012


Im zusammenwachsenden europäischen Rechtsraum gewinnen
die Rechtsvergleichung und die Beschäftigung mit fremden Rechtssystemen
zunehmend an Bedeutung. Manfred Maiwald ist emeritierter ordentlicher Professor
für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsvergleichung in Göttingen und hat
bereits früher zum italienischen Recht publiziert. Nun bietet er eine
Einführung in das italienische Strafrecht und Strafprozessrecht, die für die
wissenschaftliche Befassung und die Strafrechtspraxis gleichermaßen geeignet ist.
Teil 1 der Monografie behandelt das materielle Strafrecht, mit Schwerpunkt auf
dem allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches. Nach einem kurzen Abriss der
Geschichte des italienischen Strafrechts werden die Grundprinzipien des
italienischen Strafgesetzbuches, des Codice
Rocco
, sowie die Lehren zu Tatbeständen, Handlung, Erfolg, Kausalität,
Zurechnung, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Rechtfertigungsgründen und Versuch
übersichtlich dargestellt. Dabei werden die verschiedenen wissenschaftlichen
Theorien und Ansätze beschrieben, dies in einer sprachlich einfachen, stets
leicht lesbaren Form – ein besonderer Vorzug der Publikation.

Der zweite Teil ist dem
Strafprozessrecht gewidmet und wird wiederum den wissenschaftlichen Leser wie
den Praktiker gleichermaßen ansprechen. Für die österreichische Leserschaft
wird von besonderem Interesse sein, dass die italienische Strafprozessreform
des Jahres 1988/1989 viele Fragen entschieden hat, die in Österreich unter dem
Titel der Hauptverfahrensreform noch in Diskussion stehen. So hat Italien mit
seiner neuen Strafprozessordnung etwa das früher ähnlich wie in Österreich
inquisitorisch geprägte Hauptverhandlungsschema zu Gunsten des amerikanischen
System des Parteienprozesses und des Kreuzverhörs aufgegeben. Gleichzeitig
wurde eine Vielzahl abgekürzter Verfahrensvarianten eingeführt, die im Buch
skizziert werden. Unter anderem erhält der Leser die grundlegenden
Informationen über die italienische Form des plea bargaining. Das italienische Recht hat sich für eine
Vereinbarung zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung entschieden, die vom
Gericht genehmigt werden muss. Für den österreichischen Leser beachtlich ist
auch die Information über den allgemeinen Verteidigerzwang in sämtlichen
Strafverfahren in Italien sowie über die breite Palette an Sicherungsmaßnahmen,
die als Alternative zur Untersuchungshaft dienen. Der Autor vergisst auch nicht
auf jenes Themengebiet, das im Zusammenhang mit dem Strafrecht zu Italien
zumeist zuerst assoziiert wird, nämlich den Kampf gegen das Organisierte
Verbrechen. Maiwald behandelt die sogenannte Procura Antimafia und geht auf die garantierte Unabhängigkeit der
italienischen Staatsanwaltschaften ein. Auch dies ist im Lichte der
heimischen  Diskussion über die
Weisungsgebundenheit der öffentlichen Anklage von besonderem Interesse. 
Insgesamt bildet die
Monografie einen idealen Einstieg in die Beschäftigung mit der italienischen
Strafrechtsordnung, wobei die Mitanführung der meist einprägsamen italienischen
Termini sehr hilfreich ist. Die Klarheit der Darstellung, die Praxisnähe und
die zahlreichen Hinweise auf weiterführende Literatur verdienen besondere
Erwähnung. Ein sorgfältigeres Lektorat wäre dem Buch zu wünschen gewesen, es
hätte die nicht wenigen Schreibfehler vermeiden können. 

             Dr. Oliver Scheiber

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