Das Cafe Drechsler am Wiener Naschmarkt wird bald 100 Jahre alt. Bekannt war das Lokal seit jeher für seine nahezu durchgehenden Öffnungszeiten. Unvergessen sind Fotografien des früheren Eigentümers Engelbert Drechsler, wie er den Marktstandlern früh am Morgen auf einem Serviertablett ihren Kaffee über die Strasse zu ihrem Arbeitsplatz trägt – zu einer Zeit, als es im Marktbereich noch keinen einzigen Gastronomiebetrieb gab.
Groß war die Sorge um die Existenz des Cafe Drechsler, als Engelbert Drechsler vor einigen Jahren in den Ruhestand trat. Mit Manfred Stallmajer und Robert Kollmann fanden sich 2007 Nachfolger, die das Lokal nicht nur weiterführten, sondern auch stilvoll erneuerten und alte Traditionen wie die langen Öffnungszeiten beibehielten. Das Cafe Drechsler ist heute weiterhin eine unverwechselbare Note im Wiener Stadtleben.
Dieses für die Stadt nicht unwichtige unternehmerische Engagement wird nun von den Behörden bestraft. Während gegenüber am Naschmarkt selbst für neue Betriebe immer mehr Flächen, auch für Gastgärten, zur Verfügung gestellt werden und während die Stadt Wien selbst das ganze Jahr über den Rathausplatz mit Gastronomiebuden bestückt, wird dem Traditionsbetrieb Drechsler ein angemessener Schanigarten verwehrt. Die Privilegierung der hippen Marktbetriebe gegenüber den Traditionslokalen an der Wienzeile ist schlicht wettbewerbsverzerrend. Nach jahrelangen Bemühungen stehen die Betreiber des Drechsler nun vor dem Aufgeben: sie wollen für drei Monate zusperren. Vielleicht ist es noch nicht zu spät: im Cafe Drechsler liegt noch bis 4. Juni eine Unterschriftenliste an die Bezirksvorstehung Mariahilf (post@b06.magwien.gv.at) auf. Die sonst erfrischend offene Bezirksvorsteherin Renate Kaufmann sollte für das Anliegen doch ein Ohr haben.
Foto: Now! – Österreichisches Magazin für Musik & Mehr |