Viel ist in Österreich in letzter Zeit von einer Vertrauenskrise der Justiz die Rede. Lösungen werden allerorts gesucht und angeboten, meist ist von Ressourcen, Planstellen und besserer Öffentlichkeitarbeit die Rede. All das geht wohl am Kern des Problems vorbei. Der Rechtswissenschaftler und Rechtsanwalt Alfred Noll legt in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitschrift Falter (Nr. 15/2012) die grundlegendste und treffendste Analyse zur Justiz seit langem vor. Unter dem Titel „Misstraut den Richtern!“ führt er überzeugend aus, dass Recht und Gesetz klassische Herrschaftsmittel sind, und dass daher kein Justizsystem unpolitisch sein kann. Eine vorgebliche Entpolitisierung führe in eine Sackgasse, wie Noll unter Berufung auf die Weimarer Justiz und die österreichische Justiz der Ersten Republik zeigt. Noll formuliert Sätze, die Studierenden der Rechtswissenschaften helfen können, sich ihr Fach zu erschließen: „Wer weiter an der unpolitischen Justiz festhält, reduziert den Staat auf sein autoritäres Wunschbild des allen gesellschaftlichen Impulsen entzogenen Apparats, der allein den immanenten bürokratischen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Deshalb ist die Entscheidung für eine unpolitische Justiz eine eminent politische Entscheidung von schwer übersehbarer Tragweite. … Diese Orientierung endet immer gleich: Ordnung vor Freiheit, Rechtsstaat vor Demokratie.“